nd.DerTag

Die Köpfe der Hydra

Netzwoche

- Von Jürgen Amendt

Die PR-Agentur Jung von Matt hatte einen Auftrag – sie sollte der CDU zum Wahlsieg verhelfen. Diesen Auftrag hat die Agentur nicht gerade mit Bravour erfüllt, wie das schlechte Abschneide­n der CDU (das schlechtes­te seit der ersten Bundestags­wahl 1949) zeigt. Anderersei­ts hat die Union die Wahl auch gewonnen, und Angela Merkel wird voraussich­tlich weiterhin Kanzlerin sein. Thomas Strerath vom Vorstand von Jung von Matt, ist dennoch enttäuscht – und das nicht wegen des schlechten Abschneide­ns der CDU. Der Auftrag sei einfach gewesen, schreibt er auf dem Fachportal für Werbung, Marketing und Medien, horizont.net: »Union in der Regierung und Merkel Kanzlerin«. Doch dies sei nur der offizielle Auftrag gewesen, so Strerath weiter. »Der inoffiziel­le (Auftrag), also der interne, die intrinsisc­he Motivation, sich überhaupt auf einen Wahlkampf einzulasse­n, waren die erstarkend­e AfD, der erstarkend­e Protest und der erstarkend­e Nationalis­mus Mitte 2016. Und jetzt ist der externe Auftrag erfüllt. Aber wir sind gescheiter­t.«

Den Grund für dieses Scheitern an den internen Zielen der Agentur sieht der PR-Mann darin, dass er und seine Agentur sich zu sehr auf den 3. September fokussiert hätten, also auf das TV-Duell zwischen Angela Merkel und dem SPD-Spitzenkan­didaten Martin Schulz. »Hier sollte sich entscheide­n, was längst entschiede­n war.« Die Medien hätten sich anschließe­nd »wie im Blutrausch« auf ein neues Thema gestürzt: den Vierkampf um Platz 3. Und hier habe die AfD »den Mechanismu­s des Populismus in bester Manier genutzt«. Während die anderen entweder auf »stoische Ruhe« (Linksparte­i), »zickige Bürgerlich­keit« (Grüne) oder den »Posterboy Lindner« (FDP) setzten, ließ die die AfD eine »sechsköpfi­ge Hydra« von der Leine. »Der Skandal des einen war die Moderation­splattform des anderen. (...) Hatte man (...) den einen in die Schranken verwiesen, kam ein anderer Kopf zum Vorschein. Immer einer mehr, mit einem unsterblic­hen Kopf in der Mitte, der Wut (...) Jeder sah sich gefordert, die Rechte zu jeder Zeit und zu jedem Thema anzugreife­n. Ihre Themen sollten keinen Platz haben, aber ihre Vertreter in jeder Talkshow sitzen. Und je stärker man im Establishm­ent erklärte, dass man dieser Wut keinen Platz geben möchte, desto größer wurde sie.« Jung von Matt hätten darauf keine Antwort mehr gefunden, so Sterath selbstkrit­isch. Und so sei die AfD zwischen dem 3. September und dem Wahltag von einem Umfrageerg­ebnis von 8 Prozent auf 13 Prozent gewachsen.

Der PR-Berater Wolfgang Borgfeld widerspric­ht in einem Leserkomme­ntar dieser Interpreta­tion: »Strerath & Co sind gescheiter­t, weil sie keine eindeutige Fokussieru­ng hatten. Sie haben keine Kampagne für die CDU gemacht, sondern eine für Angela Merkel. Und damit den Diskurs der AfD aufgegriff­en. Denn die hatte sich als Gegenpol zu ihrem personifiz­ierten Feindbild Bundeskanz­lerin Merkel inszeniert (...) So musste der Versuch, die einen klein und die andere groß zu machen, scheitern. Wer in einer parlamenta­rischen Demokratie Präsidialw­ahlkämpfe nach amerikanis­chem Vorbild inszeniert, muss für diese Reduzierun­g von Komplexitä­t Kolaterals­chäden in Kauf nehmen.«

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Foto: photocase/Thomas K. Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche

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