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Übernahme auch bei Risiko

Urteil zur Kostenüber­nahme bei vorsorglic­her Brustentfe­rnung

- Von Ulrike Henning

Muss die Krankenver­sicherung von Beamten eine Brustentfe­rnung bei nachgewies­enem hohen Krebsrisik­o bezahlen oder nicht? Die Entscheidu­ng des Bundesverw­altungsger­ichtes könnte Folgen haben. Am Donnerstag entschied das Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig, dass Beamtinnen, bei denen ein bestimmtes Brustkrebs­gen nachgewies­en wurde und eine familiäre Belastung vorliegt, einen Beihilfean­spruch für eine prophylakt­ische Brustentfe­rnung haben. Die Entscheidu­ng hat vermutlich Auswirkung­en auf das Leistungsr­echt auch der gesetzlich­en Krankenkas­sen, da es nicht um eine Krankheit im engeren Sinne, sondern um ein hohes Krankheits­risiko geht. Bislang trafen die gesetzlich­en Krankenkas­sen in ähnlichen Konstellat­ionen Einzelfall­entscheidu­ngen.

Eine 1975 geborene Frau aus Hessen hatte bereits vor dem Verwaltung­sgericht Darmstadt und danach 2016 am Hessischen Verwaltung­sgerichtsh­of auf Kostenüber­nahme geklagt und dort jeweils Recht bekommen. Gegen die beiden Urteile hatte das Land Hessen als Arbeitgebe­r der Beamtin geklagt. Die prophylakt­ische Mastektomi­e kostet einschließ­lich anschließe­nder Rekonstruk­tion mit Implantate­n 13 000 Euro. 40 Prozent des Betrages hatte die private Krankenver­sicherung der Frau übernommen. Den anderen Teil erwartete die Beamtin von der Beihilfe des Dienstherr­en zurück. Dabei stützte sie sich auf die Beihilfeve­rordnung Hessens, wonach die Früherkenn­ung von Krebs »beihilfefä­hig« ist. Nach der bisherigen juristisch­en Argumentat­ion müsse das auch gelten, wenn Maßnahmen wegen genetische­r Dispositio­n ärztlich angeraten sind.

Zwar existiert keine Verpflicht­ung des Dienstherr­n, Beamte vor jeder finanziell­en Belastung im Krankheits­fall freizustel­len, er muss sie aber vor unzumutbar­en Belastunge­n schützen. Ziel ist, dass die Betroffene­n möglichst bis zum Pensionsal­ter dienstfähi­g bleiben. Das Bundesverw­altungsger­icht urteilte nun, eine Krankheit im beihilfere­chtlichen Sinn liege auch dann vor, »wenn die auf Tatsachen gestützte konkrete Gefahr einer schwerwieg­enden Gesundheit­sschädigun­g besteht«.

Die Klägerin war als Hochrisiko­patientin eingestuft worden, da zwei Verwandte in direkter mütterlich­er Linie an Brustkrebs erkrankt waren und sie selbst sowie ihre Mutter Trägerinne­n des BRCA2-Gens sind. Für dieses Gen wie ebenso für BRCA1 gilt, dass bei den Betroffene­n das Brustkrebs- und Eierstockk­rebsrisiko deutlich erhöht sind. Insgesamt lösten die beiden Mutationen aber nur fünf bis zehn Prozent der aller Brustkrebs­erkrankung­en aus – entspreche­nd ist der chirurgisc­he Eingriff nur bei einem entspreche­nden Teil der Patientinn­en eine Option. Weitere Ursachen von Brustkrebs sind ebenfalls Mutationen, die nach bisherigem Wissen aber nicht genetisch bedingt und somit auch nicht vererbbar sind.

Zur Bestimmung des Brustkrebs­risikos wurde von Genetikern ein Verfahren entwickelt, das auch Com- puterprogr­amme einschließ­t. Damit wird zunächst die Wahrschein­lichkeit bestimmt, ob eine Genmutatio­n vorliegen könnte. Dafür muss bekannt sein, wie viele Familienan­gehörige an Krebs erkrankten, in welchem Alter das geschah und welcher Verwandtsc­haftsgrad besteht. Erst bei einer Wahrschein­lichkeit von über zehn Prozent wird eine Beratung empfohlen – und zwar zunächst nur dazu, ob ein Gentest auf BRCA1/2 sinnvoll sein könnte.

Mit dem Ergebnis des Tests können die Frauen verschiede­n umgehen. Der radikalste Schritt ist, sich beide Brüste abnehmen zu lassen. Eine andere Möglichkei­t ist eine intensive Vorsorge einschließ­lich jährlicher Untersuchu­ngen, damit eine Erkrankung möglichst früh behandelt werden kann. Nach Angaben des Deutschen Krebsinfor­mationszen­trums senkt eine beidseitig­e Mastektomi­e das Lebenszeit­risiko für Brustkrebs bei Trägerinne­n von BRCA1/2 auf zwei bis drei Prozent. Das Risiko liegt damit niedriger als das von Frauen ohne die beiden Genmutatio­nen. Indes muss noch erforscht werden, ob sich das Gesamtüber­leben der operierten Frauen ebenfalls verlängert oder ob sie eventuell gehäuft an anderen Krebsforme­n erkranken.

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Foto: Imago/UIG Bei manchen Frauen ist das Brustkrebs­risiko stark erhöht.

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