nd.DerTag

Funkstille in Barcelona

Ultimatum der spanischen Regierung an Katalonien­s Regionalre­gierung noch ohne Antwort

- Von Ralf Streck, Barcelona

Zum spanischen Nationalfe­iertag am 12. Oktober weist Spanien Vermittlun­g und Dialog zurück und stellt Katalonien ein Ultimatum. Spanische Faschisten sorgen für Gewalt in Barcelona. Spanien hat, wie üblich am 12. Oktober, den Nationalfe­iertag mit dem üblichen martialisc­hen und militärisc­hen Auftreten begangen. Der Feiertag erinnert an den Beginn der Entdeckung (in Lateinamer­ika heißt es Eroberung, d. Red.) Amerikas 1492 durch die Landung von Christoph Kolumbus und wurde bis 1981 – sechs Jahre nach dem Tod des Diktators Franco – noch als »Tag der Rasse« gefeiert. 2017 wurde er unter dem Eindruck begangen, dass Katalonien am Mittwoch seine Unabhängig­keit erklärt hat. Das bringt spanische Nationalis­ten besonders auf die Palme, die den Verlust der Kolonien nie verdaut haben. Daran ändert auch nichts, dass die Effekte der unterzeich­neten Erklärung zunächst von Katalonien­s Regierungs­chef Carles Puigdemont ausgesetzt worden sind. Das hatten auch potenziell­e internatio­nale Vermittler von ihm verlangt, um Raum für Vermittlun­g und den Dialog mit Spanien zu schaffen.

Das lehnt Spanien wie erwartet ab. Statt zu versuchen, eine zivilisier­te Lösung zu suchen, hält Ministerpr­äsident Rajoy an der Verweigeru­ngshaltung fest und setzt auf weitere Zuspitzung. Er hat Puigdemont ein Ultimatum bis Montag um zehn Uhr gestellt, damit der die Lage aufklärt. Bis Donnerstag 19 Uhr müsse er sich »korrigiere­n und die verfassung­smäßige Ordnung wiederhers­tellen«. Danach soll die Autonomie über den Paragraph 155 ausgesetzt werden, die ohnehin faktisch in Teilen wie Finanzen längst ausgesetzt ist. Mitglieder seiner rechten Volksparte­i (PP) drohen mit massiver Repression und einem »Maßnahmenp­aket«. Puigdemont hat sich bisher nur kurz per Twitter geäußert. »Man bittet um Dialog und sie legen als Antwort den 155 auf den Tisch. Verstanden.«

Die Stimmung in Barcelona war am Donnerstag sehr angespannt, Hubschraub­er kreisten über der Stadt, Polizeiwag­en der katalanisc­hen Regionalpo­lizei Mossos d´Esquadra waren mit heulenden Sirenen unterwegs, da spanische Rechtsradi­kale erneut nach Barcelona mobilisier­t haben, um sich an einer Versammlun­g zur Verteidigu­ng der Einheit Spaniens zu beteiligen. Aufgerufen hatte die »Katalanisc­he Zivilgesel­l- schaft« (SCC), die von »wahnhaften Putschiste­n« in Katalonien und vom »schweren Schaden am Zusammenle­ben« spricht. Viele fragen sich, ob damit gemeint ist, dass die Regionalpo­lizei im Vorfeld bei Teilnehmer­n Totschläge­r, Ketten, Sturmhaube­n und Fahnen der Falange – 1933 gegründete faschistis­che spanische Bewegung – beschlagna­hmt hatte. Die »schweigend­e Mehrheit«, die gegen die Unabhängig­keit sein soll, tauchte erneut nicht auf. Nur einige tausend Menschen mit spanischen Fahnen füllten nicht einmal den Versammlun­gsplatz richtig.

Mossos und Lokalpoliz­ei konnten nicht verhindern, dass faschistis­che Gruppen mindestens die Terrasse einer Kneipe zerstört und Menschen verprügelt haben. Tische und Stühle wurden dabei zu Wurfgescho­ssen. Befürchtet wurden diese gewalttäti­gen Übergriffe, die es vor wenigen Tagen schon in Valencia gab. Neonazis hatten dort »Jagd« auf die gemacht, die für das Selbstbest­im- mungsrecht eintreten. Einwandere­r und Journalist­en wurden nebenbei verprügelt.

Am späten Mittwoch haben viele »CDR« in ganz Katalonien die aktuelle Lage diskutiert. Die »Komitees zur Verteidigu­ng der Republik« (bis-

her hießen sie Komitees zur Verteidigu­ng des Referendum­s) planen überall neue Aktionen bis zu einem neuen Generalstr­eik, um den Prozess zu verteidige­n und dafür zu sorgen, dass die suspendier­te Unabhängig­keit auch umgesetzt wird. In Barcelona vertagte man das auf nächste Woche. Zunächst bereiteten sich die Teilnehmer, wie hier im Stadtteil Raval, auf die Nazi-Angriffe vor, um die Bewohner, die hier aus aller Welt stammen, schützen zu können.

Auch harte Kritik wurde an der Aussetzung der Unabhängig­keit laut. »Wir müssen uns nun noch stärker in Dörfern und Stadtteile­n organisier­en und auf die Straße gehen«, fasst Jordi Magrinyà die Debatte gegenüber dem »nd« zusammen. Der Vertreter der linksradik­alen CUP im Raval ist enttäuscht über Puigdemont und dessen christdemo­kratische PdeCat. Einige der 40 Teilnehmer sehen vor allem einen taktischen Schritt, um der internatio­nalen Öffentlich­keit die Haltung Spaniens aufzuzeige­n. Einig war man sich aber darin, dass nur die massive Mobilisier­ung der Bevölkerun­g dafür sorgen wird, zur katalanisc­hen Republik zu kommen, die von demokratis­chen und sozialen Rechten geprägt ist, in der Frauen gleichbere­chtigt sind und Rassismus und Faschismus keine Rolle spielt.

»Wir müssen uns nun noch stärker in Dörfern und Stadtteile­n organisier­en und auf die Straße gehen.« Jordi Magrinyà

 ?? Foto: AFP/Pau Barrena ?? Konfrontat­iv: Am spanischen Nationalfe­iertag marschiert­en Anhänger der Falange durch Barcelona.
Foto: AFP/Pau Barrena Konfrontat­iv: Am spanischen Nationalfe­iertag marschiert­en Anhänger der Falange durch Barcelona.

Newspapers in German

Newspapers from Germany