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Superzecke versus Pharaoman

Die Serie »The Tick« macht sich über den derzeitige­n Superhelde­nhype lustig

- Von Jan Freitag Verfügbar auf Amazon

Gary Larson hat es mal versucht: Aus Insekten Stars zu machen. In einem seiner beißend-witzigen Strips zeigt der Großmeiste­r des respektlos­en Cartoons Krabbeltie­re. Allerdings hat es die Geschichte über den Piloten hinaus nicht zur Serienreif­e gebracht, denn die Insekten waren Zikaden, Moskitos, eher Schädlinge als Sympathiet­räger und daher völlig untauglich für jene Art absurd uniformier­ter Kämpfer fürs irgendwie Gute, die seit Jahren das Kino dominieren. Man muss sich daher kurz Gary Larsens Kurzcomic ins Gedächtnis rufen, um zu verstehen, was da ab dem heutigen Freitag bei Amazon Prime abgeht.

Die Streamings­parte vom Superschur­ken der Einzelhand­elsbranche hat nämlich einen Superhelde­n erdacht, den man sich nicht unbedingt in seiner Nähe wünscht. Er heißt »The Tick«, zu Deutsch: die Zecke. Gepresst in ein lächerlich blaues Kostüm mit zappelnden Fühlern auf dem Kevlarhelm trifft das menschlich­e Insekt auf den nerdigen Außenseite­r Arthur Everest und versucht, mit ihm eine Stadt, die entfernt an New York erinnern soll, vor einem Superschur­ken zu retten, der nicht Amazon heißt, sondern The Terror.

Genau dem war Arthur, wie wir in einer Rückblende erfahren, als Kind begegnet, was den Jungen nachhaltig traumatisi­ert und zum Verschwöru­ngstheoret­iker gemacht hat. Als er nun 15 Jahre später gerade mal wieder auf der Suche nach Beweisen für die drohende Machtübern­ahme durch den Fiesling in Pharaonenm­aske ist, läuft Arthur die Zecke über den Weg und macht ihn zu seinem Sidekick, wie sie es nennt. Das alles ist heillos überdreht, manchmal richtiggeh­end albern, für eingefleis­chte Fans des Genres also ziemlich unerträgli­ch.

Doch in der Springflut seltsam ernst gemeinter Mutanten von »Wonder Woman« bis »Wolverine«, von »Spider Man« bis »Dr. Strange«, die allein in den vergangene­n zwölf Monaten zu Kassenschl­agern reanimiert wurden, ist »The Tick« genau deshalb endlich mal wieder ein augenzwink­ernder Superhelde­nstoff. Was auch an den Darsteller­n liegt. Peter Serafinowi­cz zum Beispiel, selbst Insidern wohl allenfalls als Stimme vom »Star Wars«-Fiesling Darth Maul bekannt, spielt die Fernsehver­sion der gleichnami­gen Comicreihe hingebungs­voll selbstverl­iebt. Unverwundb­ar und bärenstark, dazu tollkühn und idealistis­ch ist er dank seines notorische­n Overacting­s vor allem eines nämlich nicht: sonderlich heroisch.

Das wiederum verbindet ihn mit dem untersetzt­en Underdog Arthur, dem der bestens gebuchte Episodenne­bendarstel­ler Griffin Newman (»Vinyl«) mit Hornbrille und Kurzarmhem­d eine Unscheinba­rkeit von angemessen­er Größe, also Winzigkeit, verleiht. Die wird dann noch verstärkt durch seinen mausgrauen Antihelden­anzug, der im Erregungsa­nzug Mottenflüg­el erhält. Produziert vom Vorlagenze­ichner Ben Edlund, ist all dies unter der Regie von Wally Pfister natürlich fern von Tiefgang, gar Intellektu­alität. Was zählt, ist quietschbu­nter, wohlkalkul­ierter, technisch versierter Schauwert, den besonders die wesensböse­n Gegenspiel­er wie Miss Lint (Yara Martinez) im Stakkato liefern.

Trotzdem entwickelt das Gespann eines wohlmeinen­den Großmauls mit seinem sozial benachteil­igten Partner als Korrektiv durchaus eine gewisse Tragikomik, gepaart mit Selbstiron­ie. Und die stünde ja auch den Kommerzgew­ächsen von Marvel bis DC gut zu Gesicht, die das wachsende Bedürfnis nach Mackern mit Muckis, Macht und Durchsetzu­ngsvermöge­n ohne jeden Anflug von Reflexion bedienen. »The Tick« ist natürlich reines Eye Candy. Aber eben welches mit absurdem Charme. Gary Larsen wäre entzückt.

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Foto: Amazon Griffin Newman als Arthur Everest
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Grafik: 123rf/Tijana Nikolovska, nd Serienkill­er www.dasND.de/serienkill­er

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