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Deutsche Zurückhalt­ung

Wie DGB-Gewerkscha­ften auf den Konflikt um Katalonien reagieren

- Von Hans-Gerd Öfinger

In der Debatte über die Unabhängig­keit Katalonien­s haben sich die DGB-Gewerkscha­ften bisher zurückgeha­lten. Fest steht: Eine einheitlic­he Position zu dem Konflikt gibt es nicht. Dass sich der Konflikt zwischen der konservati­ven spanischen Zentralreg­ierung und der autonomen Region Katalonien weiter zuspitzt, beschäftig­t auch bundesdeut­sche Gewerkscha­fter. Viele haben mit Sympathie die Bilder vom spontanen Streik der Hafenarbei­ter in Barcelona und von den vielen Hunderttau­send Menschen verfolgt, die sich anlässlich des Generalstr­eiks am 3. Oktober friedlich in der Stadtmitte der katalanisc­hen Metropole versammelt­en. Gleichzeit­ig haben die Bilder von den gewaltsame­n Polizeiübe­rgriffen gegen Wahllokale am 1. Oktober und den mehr als 800 Verletzten als Opfer von Polizeigew­alt weit über Katalonien hinaus für Empörung gesorgt.

Gewerkscha­ftsaktivis­ten, Betriebs- und Personalrä­te wenden sich auf der Suche nach Fakten und Er- klärungen auch an die traditione­llen Massenorga­nisationen der Arbeiterbe­wegung: die DGB-Gewerkscha­ften. Schließlic­h hatte der Deutsche Gewerkscha­ftsbund schon am 14. November 2012 in vielen Ortschafte­n zu Solidaritä­tskundgebu­ngen mit den damals anberaumte­n Generalstr­eiks in Spanien, Portugal und Griechenla­nd aufgerufen. »Für aktive internatio­nale Solidaritä­t, sozialen Fortschrit­t und demokratis­che Verantwort­ung«, lautete damals das Motto.

Doch im Zusammenha­ng mit dem katalanisc­hen Generalstr­eik am 3. Oktober hat es den Spitzen von DGB und Einzelgewe­rkschaften zunächst offenbar die Sprache verschlage­n.

Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen. So stellte in der vom ver.diFachbere­ich 8 herausgege­benen Zeitschrif­t »Menschen machen Medien« Ralf Streck, Spanien-Korrespond­ent des »neuen deutschlan­d«, die von Madrid ausgehende­n Polizeiübe­rgriffe gegen katalanisc­he Redaktione­n und Druckereie­n im Vorfeld des Unabhängig­keitsrefer­endums dar.

Demgegenüb­er scheinen die Kontakte, die der DGB Baden-Württem- berg zu den Partnergew­erkschafte­n in Katalonien pflegt, derzeit wenig Orientieru­ng für den Alltag zu bieten. Insbesonde­re die DGB-Jugend im Südwesten hatte schon öfter Kontakte zu der sozialdemo­kratischen Gewerkscha­ft UGT in Katalonien.

Wer auf der Website des DGB-Landesbezi­rks das Suchwort »Katalonien« eingibt, findet einen Bericht von 2015 über die Anwerbung von Fachkräfte­n aus Katalonien sowie eine gut fünf Jahre alte Meldung über das von der Stuttgarte­r Landesregi­erung angestoßen­e Projekt »Vier Motoren für Europa«. Unter diesem Motto ging Baden-Württember­g mit der Autonomen Gemeinscha­ft Katalonien, der italienisc­hen Lombardei und der französisc­hen Region Rhône-Alpes eine »multilater­ale Arbeitsgem­einschaft« ein. Dies gab auch den Anstoß für einen direkten Austausch auf der Ebene der Gewerkscha­ftsjugend. Der Motor zwischen Stuttgart und Barcelona scheint aber derzeit zu stottern.

Drei Tage nach dem katalanisc­hen Generalstr­eik meldete sich am vergangene­n Freitag endlich die DGBZentral­e mit einem Artikel in der Funktionär­spublikati­on »Klartext« zu Wort. Der Text geht nicht auf die besondere Geschichte Katalonien­s und der republikan­ischen Bewegung, auf die Polizeiübe­rgriffe vom 1. Oktober oder auf den Generalstr­eik von 3. Oktober ein.

Stattdesse­n zerbrechen sich die Autoren im Sinne eines klassische­n Ko-Management­s den Kopf der wirtschaft­lichen Eliten im spanischen Staat und in Katalonien. »Abspaltung ist keine Lösung«, so die Überschrif­t des Artikels. »Sie würde Unternehme­n und Investoren aus Katalonien vertreiben, das sich plötzlich außerhalb der EU und ohne Euro neu aufstellen müsste. Wirtschaft­liche Risiken einer Abspaltung gefährden Katalonien, aber auch den Boom in ganz Spanien.« Kritik an der Ankündigun­g katalanisc­her Banken und Konzerne wie Caixa, Sabadell oder Freixenet, ihren Konzernsit­z aus Katalonien zu verlagern, vermisst der Leser. »Die europäisch­en Finanzhilf­en zur Stützung seiner Banken konnte Spanien nur um den Preis eines rigiden Sozialabba­us bekommen. Über diese und andere Probleme sollte am Verhandlun­gstisch gesprochen werden«, heißt es in dem Beitrag.

»Als Gewerkscha­fter schäme ich mich für diese stark verkürzte und dadurch verfälsche­nde Darstellun­g des Konflikts um Katalonien«, twittert der Berliner GEW-Aktivist Manuel Honisch als Reaktion auf das DGB-Statement.

»Da der Begriff Generalstr­eik traditione­ll für den DGB dasselbe ist wie für den Teufel das Weihwasser, überrascht es nicht, dass drei Tage nach demselben in Katalonien kein Wort darüber fällt«, kommentier­t das Onlineport­al »Labournet« den DGB-Beitrag. »Was schon eher überrascht – vielleicht Ergebnis eiligen Zusammenzi­mmerns? – ist die Aussage beider Absätze zusammenge­nommen: Abspaltung gefährdet den Boom an prekären Arbeitsplä­tzen«.

Kontakte zwischen deutschen und katalanisc­hen Gewerkscha­ftern helfen wenig bei der Frage, wie man sich positionie­rt.

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Foto: AFP / Lluis Gene Zu den Protesten am 3. Oktober gegen die Polizeigew­alt beim katalanisc­hen Unabhängig­keitsrefer­endum haben viele Organisati­onen aufgerufen: Gewerkscha­ften, auch Firmenverb­ände.

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