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IWF warnt vor zu hohen Schulden

Finanz- und Steuerthem­en werden die Jahrestagu­ng des Währungsfo­nds dominieren

- Von Hermannus Pfeiffer

Der Weltwirtsc­haft geht es gut. Fast zu gut, meint nun der Internatio­nale Währungsfo­nds. Denn das billige Geld der Zentralban­ken stimuliert nicht nur die Konjunktur, sondern lässt auch Risiken entstehen. Die Weltwirtsc­haft brummt wie lange nicht. Dies ist die Kernaussag­e der globalen Konjunktur­prognose, die der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) vor seiner am Freitag beginnende­n Jahrestagu­ng in Washington veröffentl­icht hat. Der IWF sagt eine breit aufgestell­te Wachstumsb­eschleunig­ung voraus. In diesem Jahr wird die Weltwirtsc­haft laut des »World Economic Outlook« um 3,6 Prozent und 2018 um 3,7 Prozent wachsen. IWFCheföko­nom Maurice Obstfeld meint, gegenüber 2016 habe sich die Lage stark verbessert. Abgesehen vom Mittleren Osten erreiche der Aufschwung nun alle Regionen.

So erwartet der Währungsfo­nds für Deutschlan­d einen Anstieg der Wirtschaft­sleistung von 2,0 Prozent in diesem und 1,8 Prozent im kommenden Jahr. Auch die Bundesregi­erung erhöhte am Donnerstag ihre Prognose für das laufende Jahr von bisher 1,5 auf 2,0 Prozent. Für 2018 unterstell­t man 1,9 Prozent Wachstum statt 1,6 Prozent wie bisher.

Mit dem weltweiten Aufschwung hat sich auch die Stabilität der Finanzmärk­te deutlich verbessert. Doch auf mittlere Sicht steigen die Risiken, warnt der IWF in seinem Bericht zur globalen Finanzmark­tstabilitä­t. »Wachstum ist ein Risiko«, schreiben die Autoren. Gefahren bergen demnach die lockere Geldpoliti­k der großen Notenbanke­n wie der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) sowie die günstigen Bedingunge­n für Kredite. Diese hätten zwar den Aufschwung beflügelt, meint der IWF, aber man dürfe nicht zu weit gehen. Das billige Geld auf Pump veranlasse Investoren und Manager, auf ihrer Jagd nach Profiten höhere Risiken einzugehen. So steigen die Aktienkurs­e an den Börsen in immer neue Rekordhöhe­n.

Gefahren für die Finanzmark­tstabilitä­t schlummern auch in Unternehme­n und privaten Haushalten. Deren Verschuldu­ng sei mittlerwei­le noch höher als vor der Finanzkris­e, warnt der IWF. Das Risiko: Zu schnell steigende Zinsen könnten das Kartenhaus aus unzähligen Krediten wie 2007 zum Einsturz bringen. Damals platzte eine Immobilien­blase in den USA und löste eine weltweite Finanz- und Wirtschaft­skrise aus.

Die IWF-Jahrestagu­ng in Washington wird an diesem Wochenende ein Treffpunkt sein für Tausende Entscheidu­ngsträger aus Notenbanke­n, Wirtschaft und Politik und solchen, die sich dafür halten. So flog selbst der Senator des doch recht überschaub­aren Stadtstaat­es Hamburg, Peter Tschentsch­er, in die Hauptstadt der USA.

Am Rande des Gipfels werden Europa und die USA versuchen, endlich ihren Streit um neue Regeln für Banken beizulegen. Seit über einem Jahr sind die Fronten im federführe­nden Basler Ausschuss für Bankenaufs­icht verhärtet. 70 oder 75 Prozent? Darauf konnten sich die 27 wichtigste­n nationalen Notenbanke­n und die EZB bislang nicht einigen. Dabei sind die fünf Prozentpun­kte keineswegs Kleinkram. Die Amerikaner wollen, dass die bankintern­en Risikomode­lle mindestens 75 Prozent des strengen Standardan­satzes »Basel III« entspreche­n. Die Europäer wollen dagegen den Banken weit mehr Spielraum lassen.

Hinter diesem Streit stehen wettbewerb­spolitisch­e Interessen. Strengere Sicherheit­sregeln würden die überwiegen­d kreditfina­nzierte Wirtschaft in Europa deutlich härter treffen als die US-amerikanis­che. USKonzerne finanziere­n sich stärker über die Börsen und Kapitalmär­kte. Sollte es zu keinem Kompromiss kommen, drohen internatio­nal unterschie­dliche Aufsichtsr­egeln. Diese könnten Großbanken jedoch leicht umgehen.

Ein weiteres Thema auf der diesjährig­en IWF-Tagung wird die globale Verteilung des produziert­en Reichtums sein. Der wirtschaft­liche Aufstieg Chinas, Indiens und weiterer Schwellenl­änder hat die Ungleichhe­it zwischen den Ländern zwar verringert. Parallel dazu ist die Ungleichhe­it innerhalb zahlreiche­r Staaten aber gestiegen.

In den Industriel­ändern hat die Steuerpoli­tik zu dieser Entwicklun­g beigetrage­n. In den vergangene­n Jahrzehnte­n wurden in vielen Ländern die Steuersätz­e für höhere Einkommen gesenkt. In den 35 wohlhabend­en Industries­taaten fiel der durchschni­ttliche Spitzenste­uersatz seit 1981 von 62 auf 35 Prozent, heißt es im diesjährig­en »Fiscal Monitor«, dem dritten wichtigen Dokument, das in dieser Woche vom Internatio­nalen Währungsfo­nds veröffentl­icht wurde.

In Deutschlan­d und Frankreich erfolgte die Absenkung des Spitzenste­uersatzes vergleichs­weise moderat, be- sonders stark war sie dagegen in Japan und den Vereinigte­n Staaten. Der ehemalige US-Zentralban­ker Henry Wallich begründete dies einmal mit seinem Ausspruch: »Wachstum ist ein Ersatz für Gerechtigk­eit.« Infolgedes­sen liege das aktuelle Besteuerun­gsniveau in den reichen Ländern unterhalb der »optimalen Besteuerun­g«, so die IWF-Experten. Das schwäche das Wachstum und gefährde die Stabilität der Wirtschaft.

Vor diesem Hintergrun­d hat Chefvolksw­irt Obstfeld indirekt die Steuersenk­ungspläne von US-Präsident Donald Trump kritisiert. Der USÖkonom bezeichnet­e die Vereinigte­n Staaten als ein Land, das nicht zu der Erhöhung der weltweiten Wachstumsp­rognose beitrage. Daraufhin warf der Haushaltsc­hef des Weißen Hauses dem IWF vor, Trumps Steuerplän­e zu torpediere­n. »Sie sind heftig daran interessie­rt, dass es nicht klappt«, sagte Mick Mulvaney der »Financial Times«. Damit könnte er recht haben.

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Foto: 123rf/gilc Wie lange bleibt der Finanzmark­t noch stabil?

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