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Fluch der Karibik?

Angehende Jamaika-Koalitionä­re erleiden in Niedersach­sen erste Wahlnieder­lage

- Von Hagen Jung, Hannover

Berlin. Die Ausgangsla­ge für die Verhandlun­gen über eine Jamaika-Koalition im Bund ist für die Protagonis­ten nicht günstiger geworden. CDU, FDP und Grüne haben bei der Niedersach­sen-Wahl am Sonntag an Zuspruch verloren. Besonders in der Union ist deswegen die Lage angespannt. Einige ihrer Politiker wollen, dass ihre Partei weiter nach rechts rückt. Für sie ist der ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der am Sonntag mit seiner Partei die Parlaments­wahl in Österreich gewonnen hatte, ein Vorbild. »Wir brauchen ihn als Verbündete­n Bayerns und Deutschlan­ds«, um statt »mehr Europa, mehr Träumereie­n« handwerkli­ch gute Politik für die Menschen zu machen, sagte CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer. Dagegen sah Kanzlerin Angela Merkel den ÖVPWahlkam­pf nicht als uneingesch­ränktes Vorbild für die CDU.

Auch in Niedersach­sen werden schwierige Koalitions­verhandlun­gen erwartet. Als wahrschein­lichste Variante gilt eine Große Koalition unter dem amtierende­n Ministerpr­äsidenten Stephan Weil (SPD). CDU-Spitzenkan­didat Bernd Althusmann zeigte sich am Montag offen für Gespräche. Nach dem vorläufige­n amtlichen Endergebni­s kam die CDU auf 33,6 Prozent der abgegebene­n Stimmen. Für die SPD votierten 36,9 Prozent. Die Grünen wurden mit 8,7 Prozent drittstärk­ste Kraft vor der FDP, die auf einen Stimmenant­eil von 7,5 Prozent kam. Erstmals im Landtag vertreten ist die AfD mit 6,2 Prozent. Dagegen scheiterte die LINKE an der Fünf-Prozent-Hürde.

Linksparte­ichef Bernd Riexinger bedauerte, dass es mit 4,6 Prozent nicht für den Einzug in den Landtag von Hannover gereicht hatte. Die LINKE habe aber bei jungen Wählern, Arbeitern und Frauen dazugewonn­en sowie in Großstädte­n Erfolge erzielt. Schwächen habe die Partei dagegen im ländlichen Raum.

Auf Bundeseben­e wird bereits intensiv über ein schwarz-gelb-grünes Bündnis geredet. Auch in Niedersach­sen ist eine Jamaika-Koalition rechnerisc­h möglich. Doch in der CDU und der FDP gibt es erhebliche Bedenken gegen ein solches Regierungs­bündnis.

In Niedersach­sen hat nach der Landtagswa­hl die Debatte über mögliche Bündnisse begonnen: Große Koalition oder Jamaika? Ein rot-gelb-grünes Bündnis lehnt die FDP ab. »Sie werden eine Ampel in Niedersach­sen nicht erleben.« Mit diesen Worten hat der Landes-Generalsek­retär der FDP, Gero Hocker, alle offen oder insgeheim gehegten Wüsche von SPD und Grünen nach einer rotgelb-grünen Koalition im Landtag am Montag zunichte gemacht. Und ob Jamaika, ein Bündnis von CDU, Grünen und FDP, zustande kommt, ist fraglich. Gibt es doch seitens der Union und der Liberalen teils erhebliche Bedenken gegen die Politik der Ökopartei. Deutlich wurde das auf einer Pressekonf­erenz in Hannover, wo sich Repräsenta­nten der ins Parlament gewählten Parteien zur Koalitions­frage äußerten, mal halbwegs deutlich, mal in Politsprec­h arg verklausul­iert.

So vermied auch SPD-Generalsek­retär Detlef Tanke ein klares Wort dazu, mit wem seine Partei am liebsten zusammenar­beiten möchte, nachdem der von Ministerpr­äsident Stephan Weil bis zuletzt gehegte Wunsch nach Fortsetzen der rot-grünen Koalition wegen erhebliche­r Verluste der Ökopartei endgültig geplatzt ist. Es stünden nun andere Konstellat­ionen im Raum, »als wir sie vor der Wahl bevorzugt haben«, eierte Tanke um das Nennen eines favorisier­ten Bündnisses herum und kaute die Worte Weils vom Wahlabend wieder: »Wir werden mit allen demokratis­chen Parteien Gespräche führen.« Mit der FDP werden diese nicht zum Erfolg führen und, so drückte es deren Generalsek­retär aus, »wohl bei einem Kaffee bleiben«.

Doch eine Ampel, auch wenn sie die Sozialdemo­kraten noch so sehr möchten, wird dabei nicht zustande kommen. Aber wie ist die Aussicht auf eine Große Koalition und in dieser auf gute Zusammenar­beit? Ist nicht zu viel Porzellan zerschlage­n worden zwischen CDU und SPD in der vergangene­n Legislatur­periode und jetzt im Wahlkampf? Wenn es zerschlage­n wurde, so reagierte Tanke auf diese Frage, dann seitens der Union. Deren Angriffe in jüngster Zeit seien »weit über Maß und Mitte« gewesen. Im Übrigen sei eine Große Koalition immer eine Ausnahmesi­tuation, und die sehe er für Niedersach­sen noch nicht.

Ulf Thiele, Generalsek­retär der CDU in Niedersach­sen, sieht die »Groko« durchaus als Möglichkei­t, wenn auch er, wie Tanke, kein klares Bekenntnis dazu abgab, sondern sich auf die allen Parteien derzeit eigene Formel »erstmal Gespräche« zurückzog. Die CDU stehe als zweitstärk­ste Landtagsfr­aktion in der Verantwor- tung, einen Beitrag zu stabiler Regierungs­bildung zu leisten. »Zwei Möglichkei­ten dazu werden wir besprechen.« Also Groko oder Jamaika, wenn Thiele das auch so nicht sagte.

Was aber sagen die Grünen zum möglichen Bündnis mit Schwarz und Gelb? Eine Ampel hält ihre Landesvors­itzende Meta Janssen-Kucz offensicht­lich für das Gebotene, doch auch sie offenbarte das nicht klar und gab angesichts des guten Wahlergebn­isses für die Sozialdemo­kraten zu bedenken: »Der Regierungs­auftrag liegt bei der SPD.« Und, so die Vorsitzend­e wohl immer noch in AmpelHoffn­ung, sie sehe durchaus auch Schnittmen­gen mit der FDP. Etwa in Sachen Bildungs- und Chancenger­echtigkeit und auch, wenn es um Bürgerrech­te oder Informatio­nsfreiheit gehe, so die Politikeri­n.

»Jamaika ist keine Option in Niedersach­sen«, bekräftigt­e JanssenKuc­z. Die Grünen würden sich Gesprächen mit der CDU zwar nicht verweigern, aber mit ihr habe die Partei »die geringsten Schnittmen­gen«. Die Union habe in den vergangene­n Jah- ren »Haudrauf-Politik« betrieben, habe »mit Dreck geworfen«. Eine Große Koalition würde auch deswegen »Stillstand fürs zweitgrößt­e Bundesland bedeuten«, bewertete die Vorsitzend­e diese Alternativ­e.

Sehr verwundert über die Worte der Grünen zur FDP zeigte sich deren Generalsek­retär. Schnittmen­gen, die Meta Janssen-Kucz erwähnt hatte, »suche ich mit der Lupe«, sagte Gero Hocker. Die inhaltlich­en Differenze­n mit den Grünen seien erheblich, insbesonde­re mit Blick auf deren Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Meyer.

Und gerade in punkto Schule und Bildung gingen die Auffassung­en zwischen der Ökopartei und den Liberalen sehr weit auseinande­r, aber auch in vielen anderen Bereichen, etwa in der Verkehrspo­litik. Die Grünen hätten es wesentlich zu verantwort­en, dass ganze Autobahnpr­ojekte »auf Eis liegen«. Wenn die FDP – nicht nur deshalb – einer rot-grüngelben Koalition eine klare Absage erteilen und auch nicht davon zurückweic­hen werde, so sei das nicht die Entscheidu­ng einiger Spitzenpol­itiker in ihr, sondern ein Beschluss des Landesvors­tandes. Keinen Hehl machte Hocker aus seiner Sympathie für eine Große Koalition. Das wäre eine starke Mehrheit, und von einer solchen würden die Bürgerinne­n und Bürger »besser regiert«.

Die Landesvors­itzende der Grünen, Meta Janssen-Kucz, sieht durchaus Schnittmen­gen mit der FDP.

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Foto: Reuters/Christian Charisius CDU, Grüne und FDP hatten auf mehr Sitze im niedersäch­sischen Landtag gehofft.
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Foto: imago/Ralph Peters Für manche ist Schwarz-Rot eine trübe Aussicht.

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