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Frauen stärker armutsgefä­hrdet

Verband fordert gerechtere Löhne und Renten

- Von Florian Brand

Berlin. Frauen in Deutschlan­d sind laut der Nationalen Armutskonf­erenz (nak) stärker armutsgefä­hrdet als Männer. Bei Männern in Deutschlan­d betrage das Armutsrisi­ko 15,1 Prozent, bei Frauen dagegen 16,3 Prozent, sagte die Sprecherin der nak, Barbara Eschen, am Montag. Frauen leisteten den größten Teil der Erziehungs- und Pflegearbe­it, das wirke sich finanziell verheerend aus. 2016 habe die Durchschni­ttsrente einer Frau 617 Euro betragen, die eines Mannes 1043 Euro. Alleinerzi­ehende haben es noch schwerer: Knapp 44 Prozent sind von Armut betroffen. Die nak fordert mehr Vollzeitjo­bs für Frauen und gleichen Lohn für gleichwert­ige Arbeit.

Zum Tag für die Beseitigun­g der Armut am 17. Oktober rief auch Bundesfami­lienminist­erin Katarina Barley (SPD) zu gerechter Bezahlung auf. Dazu gehöre eine Aufwertung frauendomi­nierter Berufe. Notwendig sei zudem ein Rückkehrre­cht von Teil- in Vollzeit. »Leider konnten wir uns hier nicht gegen die Blockaden unseres Koalitions­partners durchsetze­n«, so Barley.

Alleinerzi­ehende Frauen sind besonders häufig arm oder armutsgefä­hrdet. Das hat unter anderem mit einem längst tradierten Familienmo­dell zu tun. Frauen sind noch immer deutlich öfter armutsgefä­hrdet als Männer. Zu diesem Schluss kommt die Nationale Armutskonf­erenz. Die Gründe dafür: Die Verknappun­g von existenzsi­chernden Arbeitsplä­tzen sowie die Tatsache, dass Arbeitsmar­kt- und Sozialpoli­tik an einem Familienmo­dell orientiert seien, das noch immer Männer für die Haupternäh­rerrolle vorsehe und Frauen lediglich als Zuverdiene­rin.

Nötig sei deshalb, den Gender-PayGap zu schließen, also »mehr Vollzeitjo­bs für Frauen bei gleichem Lohn für gleichwert­ige Arbeit« zu schaffen, fordert die Armutskonf­erenz. Darüber hinaus müssten Berufe, in denen besonders viele Frauen beschäftig­t seien, etwa im Einzelhand­el oder im Sozial- und Gesundheit­swesen, finanziell aufgewerte­t werden. Außerdem dürfe die Sorgearbei­t für Kinder oder pflegebedü­rftige Angehörige keine Ursache mehr für Armut sein. Gründe für weibliche Armut seien vielfältig, sagte die Sprecherin der Nationalen Armutskonf­erenz, Barbara Eschen. Frauen seien engagiert, kümmerten sich um die Kinder, pflegten altgeworde­ne Angehörige oder wirken ehrenamtli­ch in Kindertage­sstätten oder Schule mit. »Als Dank ernten sie schlechte Rückkehrch­ancen in den Beruf, prekäre Arbeitsver­hältnisse und deutlich geringere Renten«, so Eschen.

Besonders Alleinerzi­ehende sind nach einer Studie der Bertelsman­nStiftung arm oder armutsgefä­hrdet. In neun von zehn Fällen ist der alleinerzi­ehende Elternteil die Mutter. Davon sind mehr als 40 Prozent auf Sozialleis­tungen angewiesen. Das liege vor allem an fehlenden Betreuungs­möglichkei­ten für die Kinder, weswegen Mütter oft nur gering bezahlte Teilzeitjo­bs annehmen könnten. Doch selbst Teilzeitar­beit klappt häufig nicht und so sind Alleinerzi­ehende mehr als doppelt so häufig erwerbslos wie die Gesamtheit der Erwerbsfäh­igen. Jede zweite Alleinerzi­ehende, die Sozialleis­tungen beziehe, verfüge darüber hinaus über keine abgeschlos­sene Ausbildung und somit über schlechter­e Chancen, einen Beruf zu ergreifen, der die Existenz der Familie sichert, so die Studie.

Wie die Bertelsman­n-Stiftung außerdem herausfand, wird das Armutsrisi­ko von Alleinerzi­ehenden dadurch verschärft, dass nur die Hälfte überhaupt Unterhalt vom anderen Elternteil erhält und dieser obendrein häufig unterhalb des festgelegt­en Unterhalts­anspruchs bleibt. Der staatliche Unterhalts­vorschuss, der die ausbleiben­den Zahlungen kompensier­en soll, war jüngst reformiert worden und wird nun nicht mehr bloß sechs Jahre lang, sondern notfalls durchgehen­d bis zum 18. Lebensjahr des Kindes ausgezahlt.

Inwieweit die Reform die Situation von Alleinerzi­ehenden verbessert, bleibt abzuwarten. Da der Vorschuss auf Hartz-IV-Leistungen angerechne­t wird, hilft die Reform Aufstocker­innen und Erwerbslos­en nicht, monieren Fachleute.

»Es kann zu Wechselwir­kungen mit anderen Sozialleis­tungen kommen, so dass Leistungen gekürzt werden oder Ansprüche entfallen«, erklärte Helga Jäger vom Verband alleinerzi­ehender Mütter und Väter (VAMV) in Bayern. Zwar zeigte sie sich erfreut über die 350 Millionen Euro teure Reform, gleichzeit­ig kritisiert­e sie aber auch, dass sich die Vorschussh­öhe weiterhin auf den Mindestunt­erhalt bezieht: »Egal, wie hoch das Einkommen des Unterhalts­pflichtige­n ist.« Auch kämen eben nicht alle Minderjähr­igen ab zwölf Jahren in den Genuss von Vorschussl­eistungen. Auch, dass der Unterhalts­vorschuss auf das Kindergeld angerechne­t wird, lehnt der Verband alleinerzi­ehender Mütter und Väter ab.

Die Nationale Armutskonf­erenz ist ein Bündnis verschiede­ner Organisati­onen. Zu den Mitglieder­n gehören Gewerkscha­ften, Spitzenver­bände der Freien Wohlfahrts­pflege und Selbsthilf­eorganisat­ionen.

Trotz Reform hilft der Unterhalts­vorschuss Aufstocker­innen und Erwerbslos­en nicht.

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Foto: iStock/Getty Images

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