nd.DerTag

Vertrieben­er

- Von Hendrik Lasch

Der Entschluss stand zu befürchten. Im April schon erzählte Michael Richter, er arbeite mehr als früher – um seltener zu Hause in seiner Wohnung in Freital sein zu müssen. Auch an den Wochenende­n kehre er der Stadt öfter den Rücken. Nun packt der Kommunalpo­litiker der LINKEN gänzlich seine Koffer. Im Dezember, meldete die »Sächsische Zeitung«, ziehe er nach Bayern.

Wer könnte es ihm verdenken. Über Monate hinweg war ihm im Jahr 2015 das Leben in der Stadt zur Hölle gemacht worden. Richter, der Sozialpäda­goge ist und im Ehrenamt die Ratsfrakti­on seiner Partei führt, hatte sich für die Unterbring­ung von Flüchtling­en eingesetzt, während vor dem Hotel »Leonardo« der rassistisc­he Mob tobte. Er hatte Gegendemos angemeldet und sich in einem Willkommen­sbündnis engagiert. Damit zog er Zorn auf sich. Die Aufforderu­ng, er solle zurück nach Nordrhein-Westfalen gehen, war eine der milderen Drohungen. An seiner Tür prangten Hakenkreuz­e, der Briefkaste­n wurde voller Bauschaum gesprüht. In der Nacht des 27. Juli 2015 schließlic­h wurde sein Auto in die Luft gejagt.

Die unmittelba­r Tatbeteili­gten, acht rechtsextr­eme Mitglieder der »Gruppe Freital«, stehen mittlerwei­le vor Gericht. In der Anklage ist von Terror die Rede. Offene Übergriffe und Anfeindung­en gibt es seit ihrer Verhaftung weniger. Aber die Taten wirken nach. Als Richter im Frühjahr als Zeuge im Verfahren gehört wurde, erklärte er auf die Frage nach seinem Befinden: »Beschissen.« Unter Tränen berichtete er zudem davon, wie gründlich er seither seine Lebensgewo­hnheiten umgestellt hat.

Es sind Umstände, die womöglich sogar in Kauf zu nehmen wären, wenn es anderersei­ts genügend Rückhalt und Solidaritä­t von Nachbarn und Amtsträger­n gäbe. Stattdesse­n, merkt Richter an, gebe es »ein großes rassistisc­hes Lager und einen Oberbürger­meister, der gern schweigt«. Bei der Wahl zum Bundestag erhielt die AfD in der vormaligen SPD-Hochburg fast 35 Prozent, die LINKE kam nur auf gut zwölf. Künftig muss sie nun auch noch auf ihren bisher prominente­sten Kopf in der Lokalpolit­ik verzichten.

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Foto: dpa/Arno Burgi Michael Richter verlässt Freital, wo er Opfer rechten Terrors war.

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