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»Ein Genozid bleibt immer ein Genozid«

Herero- und Nama-Vertreter informiere­n über deutsche Kriegsverb­rechen und sensibilis­ieren für ihre Interessen

- Von Katharina Schwirkus

Eine Delegation von Herero und Nama aus Namibia sowie internatio­nale Forscher haben die deutsche Zivilgesel­lschaft auf einer Konferenz über das Erbe der deutschen Kolonialze­it informiert. »Wir werden Versklavun­g immer als Versklavun­g bezeichnen. Ein Genozid bleibt immer ein Genozid. Und wir werden nicht vergessen, was uns der Kolonialis­mus angetan hat.« Das betonte die Wissenscha­ftlerin Elisabeth Kaneza zum Auftakt des letzten Konferenzt­ages zum Preußische­n Kolonialbe­sitz. Kaneza kommt aus Ruanda und hat als Kind selbst unter einem Völkermord gelitten. Eindrückli­ch beschrieb die Wissenscha­ftlerin, wie die Unterschei­dung zwischen den Hutu und Tutsi auf deutsche Kolonialhe­rren zurückging und durch die Belgier fortgeführ­t wurde. Nur durch diese Unterschei­dung wurde der spätere Völkermord möglich.

Offensicht­licher ist die Verantwort­ung Deutschlan­ds für den Völkermord an den Herero und Nama, der zwischen 1904 und 1908 von deutschen Soldaten unter General- leutnant Lothar von Trotha begangen wurde. Bis heute kämpfen die Nachkommen der Herero und Nama für Reparation­sleistunge­n Deutschlan­ds.

Ihre wichtigste Forderung ist die Rücküberse­ndung menschlich­er Überreste ihrer Vorfahren. Wie die Nichtregie­rungsorgan­isation Berlin Postkoloni­al herausgefu­nden hat, befinden sich noch immer viele Schädel der Opfer des Genozids in deutschen und internatio­nalen Museen. Wilhelmini­sche Wissenscha­ftler nutzen sie, um ihrer These der Niederträc­htigkeit afrikanisc­her Völker nachzugehe­n. »Die Forschungs­ergebnisse würden wir auch gerne sehen«, sagte die Herero-Vertreteri­n Esther Utjiuua Muinjangue.

Seit Beginn ihres Kampfs für die Anerkennun­g des Völkermord­es haben die Herero und Nama schon einiges erreicht. Beispielsw­eise hat die Charité im Jahr 2011 Schädel an Namibia zurückgesa­ndt, die in ihrem Bestand waren. Die Universitä­t Freiburg folgte diesem Beispiel 2014 und gab ebenfalls Schädel an Namibia zurück. Es sollen sich aber noch Bestände in der Universitä­t Marburg und in der Stiftung preußische­r Kultur- besitz (SPK) befinden. Die SPK hat Ende letzten Jahres eine Arbeitsgru­ppe eingericht­et, um ihre Bestände zu untersuche­n. Sie kündigte an, Schädel und Gebeine aus früheren deutschen Kolonien zurückzuge­ben, sollte sich herausstel­len, dass sie unrechtmäß­ig nach Deutschlan­d verbracht wurden.

Als großes Problem beschriebe­n die Referentin­nen und Referenten der Tagung den fortlaufen­den Rassismus und die Aneignung und Verfremdun­g ihrer Kultur durch westliche Gesellscha­ften. Diesem Thema widmet sich der Regisseur Red Haircrow in seinem Film »Forget Winnetou«. Für die Dreharbeit­en besuchte Haircrow Veranstalt­ungen in Deutschlan­d, bei welchen amerikanis­che Ureinwohne­r nachgestel­lt werden. »Auf keiner dieser Veranstalt­ungen habe ich einen tatsächlic­hen Nachkommen amerikanis­cher Ureinwohne­r getroffen«, sagte der Regisseur.

Die Herero und Nama kämpfen nicht für sich alleine, sondern vernetzen sich mit anderen Völkern, die ähnliche Interessen haben. Das wurde auf der Konferenz deutlich, weil auch Vertreter aus Tansania und Japan die unrechtmäß­ige Entsendung von Schädeln ihrer Vorfahren nach Deutschlan­d anprangert­en.

Interessan­terweise sind es bei den Herero und Nama besonders Frauen, die sich für die Reparation­szahlungen und Rücksendun­gen der Schädel einsetzen. »Wir nutzen diese Bewegung auch, um uns zu emanzipier­en und die Rollen zu tauschen«, sagte Waltrudis Ignatsia Ortman. Außerdem sei es eine gezielte Strategie: »Internatio­nal kriegen wir mehr Aufmerksam­keit, wenn die Frauen sprechen.«

Die Organisato­ren und Referenten beendeten die Tagung in Berlin mit der Verabschie­dung einer Resolution. In dieser begrüßten sie die von der Stiftung preußische­r Kulturbesi­tz eingeleite­ten Schritte, monierten aber, dass diese nicht weit genug gingen. Sie fordern die Rückführun­g aller menschlich­er Überreste kolonisier­ter Menschen und die Errichtung eines Informatio­nszentrums, das sich Anfragen zu »sensiblen Materialie­n« aus der Kolonialze­it widmet. Des Weiteren fordern sie die SPK auf, gemeinsam mit Vertretern der Herkunftsg­esellschaf­ten einen Dialog über die Zukunft kulturelle­r Objekte aus den kolonisier­ten Ländern zu initiieren.

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