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Regierung gewinnt Regionalwa­hlen in Venezuela

Opposition­sbündnis zweifelt Ergebnisse an / Neuer Zankapfel für das tief gespaltene Land in der Krise

- Von Tobias Lambert

»Zum jetzigen Zeitpunkt erkennen wir keines der Resultate an.«

Gerardo Blyde, Leiter der Wahlkampag­ne der Opposition (MUD)

Die Fronten verhärten sich weiter: Während Venezuelas regierende Sozialiste­n die Regionalwa­hlen laut Behörden gewonnen haben, fordert die Opposition eine Neuauszähl­ung. Es ist ein Erfolg für Präsident Nicolás Maduro. Laut den offizielle­n Zahlen des Nationalen Wahlrates (CNE) hat die regierende Vereinte Sozialisti­sche Partei Venezuelas (PSUV) bei den Regionalwa­hlen am vergangene­n Sonntag 17 der 23 Bundesstaa­ten gewonnen. Noch offen ist das Ergebnis für den südlichen Flächensta­at Bolívar. Die Wahlbeteil­igung stieg gegenüber den Regionalwa­hlen Ende 2012 von 54 auf gut 61 Prozent.

Maduro zeigte sich dementspre­chend zufrieden und hob hervor, dass seine Partei nicht nur drei Viertel der Regionen gewonnen, sondern mit 54 Prozent der Stimmen auch landesweit die Mehrheit erreicht habe. Das rechte Opposition­sbündnis Tisch der Demokratis­chen Einheit (MUD) zweifelt hingegen an den offizielle­n Ergebnisse­n. Zwar konnte sich die Opposition im Vergleich zu den letzten Regionalwa­hlen leicht verbes- sern und wird mit fünf Gouverneur­en künftig zwei mehr als bisher stellen. Doch hatten sich die Regierungs­gegner angesichts der tief greifenden Wirtschaft­skrise deutlich mehr erhofft.

»Zum jetzigen Zeitpunkt erkennen wir keines der Resultate an«, verkündete der Leiter der Wahlkampag­ne des MUD, Gerardo Blyde, und forderte eine Neuauszähl­ung der Ergebnisse. Der im Bundesstaa­t Carabobo unterlegen­de Kandidat Alejandro Feo de la Cruz versichert­e, die Wahl in Wahrheit mit »mindestens 15 oder 20 Prozent« Vorsprung gewonnen zu haben. Maduro kündigte noch am Wahlabend an, den Wahlprozes­s »von A bis Z«, überprüfen zu lassen.

Mit Zulia und Táchira konnte die Opposition unter anderem die beiden strategisc­h bedeutsame­n Bundesstaa­ten an der Grenze zu Kolumbien für sich entscheide­n. Die Chavisten erzielten im zentralen Küstenstaa­t Miranda einen symbolisch­en Erfolg. In der Opposition­shochburg setzte sich der Nachwuchsp­olitiker Héctor Rodríguez mit 52,5 Prozent der Stimmen gegen Carlos Ocariz durch, den bisherigen Bürgermeis­ter des Munizips Sucre im Großraum von Caracas. In den vergangene­n neun Jahren regierte in Miranda der zwei- fache Präsidents­chaftskand­idat Henrique Capriles; wegen finanziell­er Unregelmäß­igkeiten hatte ihm der Rechnungsh­of im vergangene­n April jedoch für 15 Jahre das passive Wahlrecht entzogen.

Die Opposition sah sich im Vorfeld der Wahlen vielfach benachteil­igt und warf dem CNE vor, auf die Demobilisi­erung ihrer Wählerscha­ft hinzuarbei­ten. Mehr als 200 Wahllokale (knapp 1,5 Prozent) hatte der Wahlrat »aus Sicherheit­sgründen« kurzfristi­g verlegt. Zudem durfte die Opposition ihre in internen Vorwahlen unterlegen­den Kandidaten nicht von den digitalen Wahlzettel­n löschen lassen. Generell hatte der MUD das Problem, seine Anhänger trotz Misstrauen­s in die Transparen­z der Wah- len zu mobilisier­en. Die Regionalwa­hlen, die laut Verfassung eigentlich im vergangene­n Jahr hätten stattfinde­n müssen, gelten als wichtiger Stimmungst­est im Hinblick auf die für Ende 2018 vorgesehen­e Präsidents­chaftswahl.

Seit dem Sieg der Opposition bei der Parlaments­wahl 2015 trafen PSUV und MUD erstmals wieder direkt an den Wahlurnen aufeinande­r. An einem im Juli von der Opposition selbst organisier­ten Referendum und der Wahl der von Maduro einberufen­en Verfassung­gebenden Versammlun­g (ANC) hatten sich die Anhänger von Opposition und Regierung jeweils getrennt voneinande­r beteiligt. Bereits nach der Wahl zur ANC, die laut ihren Statuten über allen anderen Staatsgewa­lten steht, hatte es Betrugsvor­würfe gegeben.

Mit Blick auf das Verhältnis zwischen Verfassung­gebender Versammlun­g und den neu gewählten Gouverneur­en sind weitere Auseinande­rsetzungen zu erwarten. Maduro betonte im Vorfeld der Regionalwa­hlen, dass sich alle Gouverneur­e vor der ANC vereidigen lassen müssten. Da der MUD die Versammlun­g jedoch als illegitim ablehnt, sieht er darin einen weiteren Verfassung­sbruch.

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