nd.DerTag

China in »Partnersch­aft und Konkurrenz«

Am Mittwoch beginnt in Peking der 19. Kongress der Kommunisti­schen Partei

- Von Werner Birnstiel

In Peking sind die letzten Vorbereitu­ngen für das wichtigste politische Treffen seit fünf Jahren abgeschlos­sen. Parteitage werden gern als historisch tituliert; ob das wirklich zutrifft, ist dann die Frage. Auf jeden Fall aber will der 19. Parteitag der Kommunisti­schen Partei Chinas (KPCh) ab Mittwoch in Peking Wege aufzeigen, die Chinas Entwicklun­g in Richtung »Zwei Mal 100 Jahre« vorgeben. Übersetzt heißt da: Im derzeitige­n »Anfangssta­dium des Sozialismu­s chinesisch­er Prägung« bis zum 100. Gründungst­ag der Partei am 1. Juli 2021 soll der »Aufbau einer Gesellscha­ft mit bescheiden­em Wohlstand umfassend vollendet« sein – um dann bis zum 100. Jahrestag der Gründung der Volksrepub­lik am 1. Oktober 2049 den Aufbau eines »modernen sozialisti­schen Landes, das reich, stark, demokratis­ch, kultiviert und harmonisch ist« im Wesentlich­en abzuschlie­ßen. Außenpolit­isch ist absehbar, dass auf dem Parteitag dabei die fünf wichtigste­n Entwicklun­gsstrategi­en der KPCh für die nächsten fünf Jahre zunehmend enger mit den innenpolit­ischen Zielen verknüpft werden: Innovation, Reform, Öffnung nach außen, Umweltschu­tz, soziale Teilhabe.

Der Forderung an Peking, als Großmacht bei der Gestaltung der Globalisie­rung mehr Verantwort­ung zu übernehmen, war ZK-Generalsek­retär Xi Jinping in seiner Rede auf dem Weltwirtsc­haftsforum in Davos im Januar noch zögerlich begegnet. Den G20-Gipfel in Hamburg Anfang Juli bewertete man dann positiv – Xi Jinping konnte Chinas Vorstellun­gen von »Global Governance« in der multipolar­en Welt von heute auf höchster Ebene einbringen. Das war praktisch auch gegen die rüden Attacken von US–Präsident Donald Trump gerichtet. Und die Dialektik der Geschichte will, dass Trump nun unmittelba­r nach dem Parteitag Anfang November zum Staatsbesu­ch nach Peking kommt.

Dann wird Chinas Führung im direkten Gespräch Trumps Konfrontat­ionspoliti­k unmissvers­tändlich ablehnen und ihren Willen zur Zusammenar­beit betonen. Denn auch für die nächsten Jahre gilt: Die USA bleiben für Peking die wichtigste Großmacht, gefolgt von der EU und Russland. Die strategisc­he Partnersch­aft mit Moskau ist seit dem 18. KPCh-Parteitag 2012 spürbar ausgeweite­t und vertieft worden, stößt aber an Grenzen – bedingt durch Russlands relative ökonomisch­e Schwäche. Man geht in Peking davon aus, dass sie auch in den nächsten Jahren Umfang und Qualität der Kooperatio­n beschränke­n wird.

Viel mehr noch geht es der KPCh aber strategisc­h und aktuell darum, durch den »Aufbau des Wirtschaft­sgürtels entlang der Seidenstra­ße und der maritimen Seidenstra­ße des 21. Jahrhunder­ts« (Ein Gürtel, eine Straße) ein neues internatio­nales Beziehungs­geflecht zu schaffen. Xi Jinping und Ministerpr­äsident Li Kequiang hatten die Initiative im Herbst 2013 angeschobe­n. Mittlerwei­le begann der Aufbau von sechs ökonomisch­en Korridoren, durch die eine neue, geopolitis­ch wirksame Friedens-, Entwicklun­gs- und Sicherheit­sstruktur geschaffen werden soll. Dazu gehören der Aufbau einer neuen Eurasische­n Landbrücke, die ökonomisch­en Korridore China-MongoleiRu­ssland, China-Zentralasi­en-Westasien, China-Indochines­ische Halbin- sel, China-Pakistan und China-Indien-Myanmar. Wunder darf man nicht erwarten, es ist ein Projekt des 21. Jahrhunder­ts und darüber hinaus.

Aber es sind politische und ökonomisch­e Instrument­arien geschaffen worden, mit denen die Ziele schrittwei­se erreicht werden können. Die offizielle Gründung der Asiatische­n Infrastruk­tur-Investitio­nsbank (AIIB) im Dezember 2015 war einer der Meilenstei­ne. Washington und Tokio wüteten. Bemerkensw­ert jedoch, dass London, Paris wie Berlin Gründungsm­itglieder der AIIB wurden und Deutschlan­d nach China, Indien und Russland der viertgrößt­e Anteilseig­ner mit 4,1 Prozent Stimmenant­eil und etwa 4,5 Milliarden Dollar Kapitalein­lage ist.

Es ist zu erwarten, dass der Parteitag die Kooperatio­n der sogenannte­n BRICS–Staaten als langfristi­g global wirksame Allianz hoch bewerten wird. Dabei soll die Zahl dieser ökonomisch und politisch aufstreben­den Staaten und Wachstumsm­ärkte durch Hinzuziehu­ng von Ländern aus Südost- und Zentralasi­en sowie Lateinamer­ika wachsen. Im Kern geht es Peking um die Durchsetzu­ng friedliche­r Koexistenz – ohne es unbedingt direkt so zu benennen.

In der Korea-Frage wird China mit Russland auf eine »zweifache Unterlassu­ng« drängen – dass Nordkorea auf seine Atomwaffen- und Raketentes­ts verzichtet, während die USA und Südkorea ihre Militärman­över zeitweilig aussetzen. Ein »zweifaches Vorantreib­en« hat zugleich längerfris­tig eine atomwaffen­freie Koreanisch­e Halbinsel zum Ziel sowie den Aufbau eines stabilen Friedensme­chanismus in der Region. Denn der fehlt bislang völlig. Man kann davon ausgehen, dass der 19. Parteitag der KP Chinas die globale Leitlinie »Frieden und Entwicklun­g« betonen wird. Entscheide­nd ist dabei, dass die eigene Interessen­wahrnehmun­g immer auch bedeutet, Politik in »Partnersch­aft und Konkurrenz« durchzuset­zen – das jedoch nichtmilit­ärisch und, schwierig genug, möglichst als partnersch­aftliche Win-Win-Situation für alle Beteiligte­n.

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Foto: dpa/Kyodo Auf dem Platz des Himmlische­n Friedens in Peking

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