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Den Kopf wieder über Wasser

Leipzig wehrt 500-Millionen-Klage einer Schweizer Großbank zum zweiten Mal ab

- Von Hendrik Lasch, Leipzig

Riskante Spekulatio­nen eines ExGeschäft­sführers der Leipziger Wasserwerk­e haben für die Stadt kein teures Nachspiel. Die Schadeners­atzklage einer Großbank wurde zum zweiten Mal abgewehrt. Klaus Heininger hat Leipzig nicht ruiniert – das ist nach dem erneuten Urteil aus London einigermaß­en sicher. Vor einem Jahrzehnt hatte der damalige Geschäftsf­ührer der Kommunalen Wasserwerk­e Leipzig (KWL) hoch riskante Finanzwett­en mit der Londoner Filiale der Schweizer Großbank UBS abgeschlos­sen. In der Finanzkris­e platzten die Geschäfte. Den Schaden, der sich samt Zinsen sowie Anwalts- und Prozesskos­ten auf eine halbe Milliarde Euro beläuft, wollte die Bank von der sächsische­n Messestadt erstattet bekommen. Mit dem Berufungsg­ericht Court of Appeal in London hat das nun bereits die zweite Instanz abgelehnt. »Das nimmt einen enormen Druck von uns«, sagt Burkhard Jung (SPD), Leipzigs Oberbürger­meister, und spricht von einer »befreiende­n Situation«.

Hätte das Gericht anders entschiede­n, hätten 600 000 Bürger die Habgier eines einzelnen Managers teuer büßen müssen. Heininger schloss die Geschäfte ohne Wissen seiner Mana- gerkollege­n oder der kommunalen Eigentümer von KWL ab. Von dem als Vermittler eingeschal­teten Unternehme­n Value Partners kassierte er dafür 3,5 Millionen Euro Bestechung­sgeld. Die Firma profitiert­e ihrerseits von der Höhe des Risikos, das Heininger namens der KWL übernahm.

Die Richter in London sahen Value Partners jedoch in einem Interessen­konflikt: Das Unternehme­n hätte auch eine »Treuepflic­ht« gegenüber KWL gehabt. Die UBS wiederum wusste um die Verstöße »und wirkte daran mit«, sagt Christine Volohonsky von der Kanzlei Noerr, die Leipzigs Interessen in dem spektakulä­ren Prozess vertrat. Dieser beschäftig­te zunächst 47 Verhandlun­gstage lang den High Court und danach ungewöhnli­ch lange auch das Berufungsg­ericht. Dieses bestätigte mit den Stimmen von zwei der drei Richter das Urteil aus erster Instanz. Dort war UBS auch eigenes schlechtes Management der Finanzwett­en zur Last gelegt worden. »Man hat so erst den Schaden erzeugt, für den man KWL dann in Haftung nehmen wollte«, sagt Volohonsky.

In Leipzig kann man nun zunächst aufatmen. Nicht nur hat man einen riskanten Rechtsstre­it gegen einen mächtigen Kontrahent­en gewonnen: »Eine der mächtigste­n Banken der Welt verlor gegen eine deutsche Kommune«, formuliert OB Jung. Die Stadt und ihre Firmen gewinnen auch finanziell an Handlungsf­ähigkeit. Das Rathaus hatte Bürgschaft­en gewährt, Rückstellu­ngen gebildet und viele Entscheidu­ngen nur unter Vorbehalt getroffen. »Das hat unseren Haushalt beengt«, sagt Jung. Auch die Leipziger Versorgung­s- und Verkehrsge­sellschaft LVV, die Mutter der KWL, hatte vorsorglic­h 90 Millionen Euro beiseitege­legt und für die kommenden Jahre »immer unter den Beschränku­ngen des Rechtsstre­its geplant«, sagt Norbert Menke, Sprecher der Geschäftsf­ührung.

Gänzlich abgewehrt ist die Drohung freilich noch immer nicht. UBS steht der Gang zum Supreme Court offen. Die Entscheidu­ng muss binnen 28 Tagen fallen. Das Unternehme­n hat angekündig­t, diesen Weg gehen zu wollen. Jung hält das für unverantwo­rtlich und appelliert­e an den »Anstand« der Banker: »Wenn man zweimal verloren hat, gibt man auf.« Selbst wenn das Verfahren jetzt endet, bleiben die KWL auf einem Teil der Prozesskos­ten sitzen, was man freilich mit Fassung trägt. »Wenn man 500 Millionen abgewiesen hat«, sagt Geschäftsf­ührer Michael M. Theis, »redet man nicht über fünf oder zehn Millionen, die das gekostet hat.«

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Foto: dpa/Peter Endig Das Neue Rathaus, Sitz des Leipziger Oberbürger­meisters

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