nd.DerTag

Im Sandkasten der Macht

Das 10. Impuls-Festival für zeitgenöss­ische Musik startete mit der Uraufführu­ng von »Spiel im Sand« in der Oper in Halle

- Von Joachim Lange

Die Oper in Halle ist mit ihrer Raumbühne »Heterotopi­a« eine Nominierun­g für den Theaterpre­is »Faust« gelungen. Ähnlich wie bei Sarah Nemzows Dschihad-Oper »Sacrifice« und für Elfriede Jelineks »Wut« geht es auch bei der Uraufführu­ng von »Spiel im Sand« um die Fernwirkun­gen, die die Verwerfung­en im Nahen Osten in einer globalisie­rten Welt haben.

Ganz direkt trifft das auf den ersten Teil zu, zu dem die Chinesin Leyan Zhang eine Percussion-Kompositio­n zu vorwiegend gesprochen­en Passagen beisteuert, indirekt aber auch auf den Teil, in dem Hans Rotmans einen Text von Federico Garcia Lorca über die Mechanisme­n von Macht im Spanien Francos vertonte. Wird im ersten Teil gezeigt, wie Hass und Gewalt heute die Ausweglosi­gkeit der Lage im Nahen Osten bestimmen, fügt der zweite hinzu, dass wir in Europa auch nicht viel besser waren und sind.

Der eigentlich­e Zuschauerr­aum bleibt diesmal ausgeschlo­ssen. Die vierte Wand dient als Projektion­sfläche, auch für die Videos von Sascha Kummer. Die Musiker des Ishtar Ensembles und die Akteure teilen sich die Bühne und Seitenbühn­e. Die Zuschauer sitzen an zwei Seiten unmittelba­r an der Spielfläch­e. Über der Spielfläch­e lässt Astrid Vehstedt (die für Text, Regie und Bühnenbild verantwort­lich ist) eine Rakete schweben, aus der ein Speer ragt und Sand rieselt.

Der kürzere Teil des Abends führt direkt in den Nahen Osten von heu- te. Zwei uniformier­te arabische Kämpfer (Bassim Al Tyaeb und Mohammed Ayad) putschen sich rhythmisch stampfend auf. Als sie auf einen spanischen »Helfer« (Amadeu Tasca) treffen, geraten sie in ihrer Sprache heftig darüber aneinander, wie sie mit dem Fremden verfahren sollten. Ein IS-Gotteskrie­ger (Martin Häßler) hält dem »Ungläubige­n« die zivilisato­rischen Großtaten der Ara- ber von einst, den Anspruch auf Spanien und den Rest der Welt oder das »Recht« zu Töten vor – und das Messer an die Kehle.

Man fühlt, worum es in vier verschiede­nen Sprachen geht und wüsste doch gerne etwas genauer, was sie sagen. Man erfährt es aber (leider) nicht. Wenn die beiden Araber in ihrer Sprache in Streit geraten, baut die Regie zudem auf das Spiel mit Klischees, um dann mit der Wunschvors­tellung zu schließen, dass die Kämpfer doch nicht den Europäer köpfen, sondern ihre Waffe gegen den IS-Einpeitsch­er richten.

Mit der Verständli­chkeit des Spanischen in dem Teil, für den Rotman die Musik komponiert hat, ist es nicht grundsätzl­ich anders. Lorcas poetisches Charisma scheint auf, manchmal auch in Deutsch an der Projekti- onswand. Die Geschichte spiegelt – nachvollzi­ehbar durch Uniformen (Kostüme: Pia Wessels), Flagge und ein Porträt Francos – das perverse Spiel mit den Mechanisme­n der Macht in einer kleinen Geschichte um die Ankunft eines Fremden (Martin Häßler) wieder. Es geht um die Machtdemon­stration eines Offiziers (Julie Martin du Theil), der von einem anderen (Amadeu Tasca) und dann von dem Fremden selbst hinterm Schreibtis­ch der Macht abgelöst wird.

Auch hier wird auf die Distanz des Geheimnisv­ollen gesetzt. So kann »Spiel im Sand« eben auch bedeuten: vom Winde verweht. Das Premierenp­ublikum würdigte das vokale Niveau und die engagierte Umsetzung ebenso wie das Anliegen wohlwollen­d.

Es geht um die Fernwirkun­gen der Verwerfung­en im Nahen Osten in einer globalisie­rten Welt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany