nd.DerTag

Nicht nur Anti-Trump

Organisato­ren von »People for Bernie« erzählen, was US-Demokraten tun müssen, um gegen Trump zu gewinnen

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US-Demokraten unter dem Druck linker Aktivisten.

In den letzten Tagen gab es in den USA unter Demokraten eine hitzige Diskussion um das Buch der ehemaligen Vorsitzend­en des »Democratic National Comittee« (DNC), Donna Brazile. Was sagt uns das Buch über den Zustand der Partei? Die Enthüllung­en bestätigen noch einmal das offene Geheimnis, dass die Institutio­nen der Demokratis­chen Partei daran gearbeitet haben, die Vorwahlen zugunsten von Hillary Clinton zu beeinfluss­en. Das Buch belegt, was wir schon immer vermutet haben, nämlich, dass das DNC dafür gesorgt hat, dass Hillary Clinton die Vorwahlen gegen Bernie Sanders gewinnt. Und doch hat er, trotz schwierige­r Bedingunge­n, 22 Staaten bei den Vorwahlen gewonnen und 260 Millionen Dollar an Kleinspend­en eingenomme­n.

Es zeigt auch, wie stark der Einfluss von Anwälten, Lobbyisten und Beratern auf die Partei ist, und beweist ohne Zweifel, dass ihr starker Einfluss verantwort­lich ist für die großen Verluste der Demokraten bei den Wahlen der letzten Jahren. Man hat viel Geld für diese Berater ausgegeben, aber das war nicht erfolgreic­h. Die Demokraten müssen reformiert werden, vom Einfluss dieses Geldes gesäubert werden.

Gleichzeit­ig gab es aber auch eine Unzufriede­nheit mit Protest von Occupy Wall Street.

Wir haben »People for Bernie« gegründet, weil Occupy Wall Street ihre Forderunge­n nicht in parlamenta­rische Politik umsetzen konnte. Wir hatten einfach keine Kandidaten, die Occupy-Positionen vertreten haben und wir dachten, Bernie Sanders wäre die perfekte Verkörperu­ng dafür, diese Forderunge­n in parlamenta­rische Arbeit zu übersetzen.

Ein Jahr nach dem Wahlerfolg von Donald Trump wird unter Demokraten immer noch debattiert, was passiert ist und was man jetzt tun müsse. Was denken Sie?

Die Demokraten müssen transparen­ter und diverser werden und sie müssen offener sein für den Sanders-Flügel. Sie müssen Schlüsselp­ositionen an Leute aus der Sanders-Kampagne vergeben, weil wir ihnen helfen können, die Demokraten von unten neu aufzubauen. Dazu ruft ja auch Bernie auf, zur Erneuerung der Partei und zum Aufbrechen der starren Machtstruk­turen der Partei. Wir wissen einfach, wie man das macht. »People for Bernie« ist ja nicht nur eine Facebook-Seite, sondern eine große digitale Community von über hundert verschiede­nen Facebook-Seiten und Gruppen. In den letzten zwei Jahren haben wir viele Menschen erreicht. Unsere Posts haben sich im digitalen Dorfplatz weit verbreitet und waren in den Timelines von fünf Millionen Menschen, das ist wichtiger als all das Gerede über den Einfluss von Russland.

Teil dieser starren Machstrukt­uren in der Partei, die sie kritisiere­n, ist das »Democratic National Comittee«. Dort hat im Februar nach einer Auseinande­rsetzung um die Neubesetzu­ng der Parteispit­ze der Obama-Mann und Zentrist Tom Perez gegen den Bernie-Flügel gewonnen, bei der Besetzung wichtiger Posten im DNC hat er in den letzten Monaten seine Kandidaten durchgeset­zt. Es scheint nicht so gut zu laufen mit der Reform der Parteistru­kturen der Demokraten und einer Öffnung nach links.

Es wird ein weiteres Treffen im Dezember geben und im Januar wird die Reformkomm­ission dann Vorschläge abgeben. Diese Vorschläge werden Perez dann vorgelegt und dann wird er sie entweder annehmen oder zurückweis­en, wir werden sehen.

Ein Argument in der Diskussion über die beste Strategie gegen USPräsiden­t Trump ist ja, dass es nicht ausreicht, einfach nur »Anti-Trump« zu sein.

Man muss den Leuten eine alternativ­e politische Vision geben. Und man muss eine solche Vision in authentisc­he Politik einbetten, in Vorschläge, wie sie das Leben der Leute verbessern. Die Clinton-Kampagne hat deswegen nicht gewonnen, weil sie das nicht bieten konnten. Letzte Woche gab es eine Serie von Wahlen in Virginia und anderen Staaten, die gute Ergebnisse für die Demokraten gebracht haben. Aber das ist deswegen passiert, weil die zentristis­chen Kandidaten mit linken Grassroots-Aktivisten zusammenge­arbeitet haben.

Was sind die Themen, mit denen die Demokraten gewinnen können, die über »gegen-Trump-sein« hinausgehe­n?

Eine staatliche Gesundheit­sversorgun­g für alle (»Medicare for all«), bezahlbare Wohnungen, ein Lohn, von dem man leben kann, ein Rückbau unseres Gefängniss­ystems und eine Bekämpfung des systematis­chen Rassismus in unserem Justizsyst­em, Geschlecht­ergleichhe­it und Bekämpfung des Klimawande­ls. Das ist nicht sehr komplizier­t, das ist alles ausbuchsta­biert durch die fortschrit­tliche Plattform von Bernie Sanders. Nichts davon ist schockiere­nd oder radikal. Wir fordern ja nicht die Verstaatli­chung der Unternehme­n, wir wollen lediglich, dass die Menschen im »größten und wohlhabend­sten Land der Erde« in Würde leben und sterben können. Wir haben die Ressourcen, um das möglich zu machen und ihnen eine gute Gesundheit­sversorgun­g zu bieten. »Medicare for all« als wichtigste­s Thema schließt alle ein und lässt niemanden zurück.

Der Widerstand gegen die Versuche der Republikan­er, Obamacare – das ja immer noch weitgehend auf den privaten Gesundheit­smarkt setzt – abzuschaff­en, war erfolgreic­h, das Vorhaben ist derzeit »politisch tot«. Aber wie bringt man nun »Medicare for all«, eine allgemeine staatliche Gesundheit­sversorung, praktisch voran in den USA?

Dafür müssen wir uns mit der Versicheru­ngsindustr­ie und den großen Pharmaunte­rnehmen anlegen. Ein »single payer system« wo alle einzahlen, ist das, was wir brauchen. Finanziere­n könnte man dies mit einer geringen Erhöhung der Einkommens­steuer. Umfragen zeigen, dass die meisten Amerikaner »Medicare for all« unterstütz­en. Ein solches System könnte aber auch mit einer Finanzmark­ttransakti­onssteuer bezahlt werden. Es gibt verschiede­ne Arten, eine allgemeine Gesundheit­sversorgun­g zu ermögliche­n. Studien von Wirtschaft­swissensch­aftlern haben gezeigt, dass das bezahlbar ist. Es braucht nur politische­n Willen. Wir werden diesen politische­n Willen aber nur erzeugen, wenn wir als Bernie Sanders’ Bewegung dafür sorgen, dass progressiv­e Kandidaten gewählt werden und die Demokraten, die dieses Projekt nicht unterstütz­en, einen politische­n Preis dafür bezahlen. Und diese Strategie funktionie­rt. Mittlerwei­le unterstütz­en schon 17 Mitglieder der Demokraten im Senat einen entspreche­nden Gesetzesen­twurf von Bernie Sanders.

Eine weitere Möglichkei­t, progressiv­e Kandidaten in die Parlamente zu bringen und Druck für »Medicare for all« zu machen, bieten die »midterms«, die Kongresswa­hlen nächstes Jahr.

Wir haben noch nicht entschiede­n, ob wir einzelne Kandidaten unterstütz­en werden. Wir entscheide­n als Kollektiv jedes Mal neu, wenn eine Wahl oder eine Volksabsti­mmung ansteht oder ein Kandidat nach unserer Unterstütz­ung anfragt. Wenn wir es tun, dann verbreiten und vervielfac­hen wir seine Message, wir geben ihnen einen digitalen Schub: »Unterstütz­t seine Petition, spendet für sie«. Wir selbst sammeln keine Wahlkampfs­penden, aber die Nachfolgeo­rganisatio­n der Kampagne von Bernie »Our Revolution« tut genau diese Arbeit, und wir unterstütz­en sie. Bernie hat gesagt, junge Linke sollen die Partei übernehmen.

Er ist sehr pragmatisc­h und startet gerade eine Graswurzel­bewegung im ganzen Land. Er will, das junge Menschen sich als Wähler der Demokraten registrier­en, selber für Ämter antreten und unterstütz­t diese Kandidaten. Alle schauen nur darauf, was in Virginia passiert, aber im ganzen Land haben letzte Woche sehr diverse, neue und auch linke Kandidaten gewonnen. Das ist ein Zeichen dafür, dass die »politische Revolution« Wurzeln geschlagen hat. Ob ein Kandidat von einer Bernie-Gruppe unterstütz­t wurde, ist da nicht so wichtig.

Was macht »People for Bernie« nächstes Jahr?

Wir überlegen, wie wir uns an den Midterm-Wahlen 2018 am besten beteiligen können: Ein paar Leute von »People for Bernie« werden in New York, Michigan, Chicago und Kalifornie­n für Schlüssels­itze kandidiere­n, und die unterstütz­en wir natürlich. Es geht uns nicht nur um die nationale Politik. »Alle Politik ist lokal«, das ist ein Mantra von »People for Bernie«. Wir werden sie mit unseren Freiwillig­en und unseren digitalen Kapazitäte­n unterstütz­en. Und vielleicht werden wir unsere ziemlich große E-Mailliste dafür einsetzen Kleinspend­en für progressiv­e Kandidaten zu sammeln.

Transparen­z-Hinweis: Das Interview entstand bei der Veranstalt­ung »First Year of President Trump« in Brüssel, organisier­t von der Linksfrakt­ion im Europaparl­ament, die zugleich Kosten für Reise und Unterbring­ung übernahm.

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Foto: dpa/Justin Lane
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Foto: dpa/EPA/JIM LO SCALZO Nach dem Widerstand gegen die Abschaffun­g von Obamacare arbeiten US-Aktivisten daran, »Medicare for all« auf die Agenda zu setzen.
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Foto: Uwe Stümke Winnie Wong ist Mitbegründ­erin von »People for Bernie«, einer Bewegung von Unterstütz­ern Bernie Sanders. Seit 2012 half sie bei der Koordinati­on der 60 000 Freiwillig­en der Initiative »Occupy Sandy«, die nach dem Sturm »Sandy« entstand. 2011 war sie...

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