Trotz Arbeit von Armut bedroht
Jeder zehnte Beschäftigte gefährdet / LINKE und DGB fordern Maßnahmen
Berlin. Zehn Prozent der Beschäftigten in Deutschland sind im Jahr 2016 trotz Arbeit armutsgefährdet gewesen. Das zeigt eine Auswertung von Eurostat-Daten durch die Bundestagsfraktion der Linkspartei. Bei befristet Beschäftigten lag der Anteil der Armutsgefährdeten sogar bei 20,5 Prozent und hat sich damit seit Umsetzung der rot-grünen Sozialreformen mehr als verdoppelt. Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, forderte die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro. »Arm trotz Arbeit darf es nicht länger geben«, sagte sie. Daran müsse sich eine neue Bundesregierung messen lassen. Auch DGB-Vorstand Annelie Buntenbach forderte Grüne, Union und FDP auf, Formen prekärer Arbeit zurückzudrängen. »Es ist zutiefst ungerecht und gefährdet den sozialen Zusammenhalt, wenn Beschäftigte trotz Arbeit ausgegrenzt und abgehängt werden«, sagte Buntenbach. Sie forderte, Befristungen ohne sachlichen Grund zu untersagen und Minijobs in normale, sozialversicherungspflichtige Arbeit umzuwandeln.
Natürlich ist es ganz richtig, wenn Linksparteipolitiker die Grünen bisweilen an diesen bitteren Fakt erinnern: Zehn Prozent der Beschäftigten sind trotz Arbeit armutsgefährdet – fast doppelt so viele wie vor der rot-grünen Sozialreform. Falsch aber ist es, wenn Teile der Linkspartei dabei ständig die gute alte Zeit vor der Agenda 2010 heraufbeschwören. Denn ein Zurück wird es nicht geben. Darauf müssen sich LINKE endlich einstellen.
Unverzagt haben die Grünen jüngst angekündigt, mit Jamaika »ausgetretene sozialpolitische Pfade« verlassen zu wollen. Das klingt aufregend und ist es auch: Es steckt dahinter die – sicherlich waghalsige – Überzeugung, dass Interessengegensätze vereinbar sind. Konkret bedeutet es, dass mit Jamaika die Mindestrente kommt; sie wird niedrig ausfallen, aber Altersarmut verhindern. Und es bedeutet noch viel mehr: Die künftige Regierung könnte mit dem Gedanken eines Grundeinkommens spielen und – obschon nur vorsichtig tastend – zu der Einsicht gelangen, dass dem Kapitalismus in diesem Jahrhundert die Arbeit ausgeht.
Ziemlich große Schneisen sind das – und sollte Jamaika gelingen, wird neben den Grünen besonders die FDP sie schlagen. Will die Linkspartei verhindern, dass man ihr den Rang abläuft, sollte sie mutig und vor allem endlich zukunftsgewandt die sozialpolitischen Debatten aufmischen.