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Oh, wie schön ist Malta

Besuchen Sie das Geldwäsche-Paradies

- KSte

Berlin. Während Maltas Regierung in der EU in Sachen Geldwäsche und Korruption unter Druck steht, lässt sich Ministerpr­äsident Joseph Muscat an diesem Dienstag bei einer Konferenz in Hongkong feiern. Zum dritten Mal in Folge nimmt er für seinen Staat die Auszeichnu­ng für das »weltbeste Staatsbürg­erschaftdu­rch-Investitio­n-Programm« von der Beratungsf­irma Henley & Partners entgegen. Der Ministaat im Mittelmeer vergibt seit einigen Jahren Pässe an Ausländer, die dort investiere­n, etwa indem sie eine Immobilie erwerben. Was Vermögensb­erater, Juristen und Banker freut, stößt bei EU-Partnern zunehmend auf Kritik: Sie befürchten, dass auch Kriminelle, die auf diese Weise ihr Geld waschen, den MaltaPass bekommen und dann quer durch die EU reisen und dort Geschäfte machen können.

Der Mord an der regierungs­kritischen Journalist­in Daphne Caruana Galizia, die über korrupte maltesisch­e Politiker und den Einfluss der Mafia berichtete, hat das Ausmaß der Bedrohung von Rechtsstaa­tlichkeit und Pressefrei­heit in dem EU-Land deutlich gemacht. Vor allem im Europaparl­ament macht man sich große Sorgen. Für Dienstagna­chmittag ist eine Plenardeba­tte mit Entschließ­ung zum Thema »Rechtsstaa­tlichkeit und Geldwäsche in Malta« angesetzt. Außerdem schickt Straßburg eine Parlamenta­rierdelega­tion in das südlichste EU-Land, um die Fälle von Geldwäsche und Korruption zu untersuche­n. Beobachter gehen davon aus, dass Malta als Steueroase davon profitiert, dass Vermögende und Unternehme­n seit den Panama Papers eher einen Bogen um Panama machen. »In Malta herrscht eine Kultur der Straflosig­keit und des Gekungels zwischen politische­n und finanziell­en Eliten«, meint der finanz- und wirtschaft­spolitisch­e Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparl­ament, Sven Giegold.

»Ich bin mir meiner Lage so sicher, dass ich sofort zurücktret­en würde, wenn es auch nur den Hauch eines Beweises dafür geben würde, dass das, was gesagt wird, wahr ist.«

Joseph Muscat, Maltas Premier

Das kleinste EU-Land Malta sorgt derzeit für großes Aufsehen in der Staatengem­einschaft. Die Ermordung der Journalist­ion Daphne Caruana Galizia hat die Debatte über dubiose Steuerprak­tiken und mafiöse Verstricku­ngen zwischen Regierung und Wirtschaft angefacht.

Einen Monat nach dem Tod der Journalist­in Daphne Caruana Galizia ist das kleinste EU-Mitglied Malta erneut Thema im EU-Parlament. Die Aufklärung des Mordes und der Mafia-Vorwürfe steht aus. Sie heißen Altiero Spinelli, Anna Lindh oder Anna Politkowsk­aja – einige Säle im Europäisch­en Parlament sind nach wichtigen Persönlich­keiten der EU- und der Zeitgeschi­chte benannt. Ein paar von ihnen sind eines gewaltsame­n Todes gestorben. An diesem Dienstag wird mit Daphne Caruana Galizia eine solche Persönlich­keit und Opfer eines Anschlags hinzukomme­n: Knapp einen Monat nachdem die maltesisch­e Journalist­in durch eine Autobombe getötet wurde, erhält der Pressekonf­erenzsaal des Europäisch­en Parlaments in Straßburg den Namen Galizias.

Dafür findet eine Zeremonie in Anwesenhei­t ihrer Familie und des Parlaments­präsidente­n Antonio Tajani statt. Während die Täter und genauen Hintergrün­de des Mordes an Galizia weiter ungeklärt sind, wollen die Europaabge­ordneten zudem über den Stand der Rechtsstaa­tlichkeit in Malta debattiere­n. Am Mittwoch soll in Straßburg eine Resolution zu etwai- gen Einschränk­ungen von Freiheiten und der mutmaßlich­en Einflussna­hme der Regierung auf Justiz und Polizei verabschie­det werden.

Denn in der Tötung Galizias sehen viele Europapoli­tiker einen weiteren Beleg für sich in Malta ausbreiten­de mafiöse Strukturen bis tief hinein in die Amtsstuben. Die 53-Jährige hatte mehrere Korruption­saffären in Malta aufgedeckt und an den »Panama Papers« mitgearbei­tet. Ihre Recherchen richteten sich auch gegen Maltas sozialdemo­kratischen Regierungs­chef Joseph Muscat und dessen Frau.

Mit Blick darauf unterstütz­t etwa der Grünen-Abgeordnet­e Sven Giegold die Rücktritts­forderung der Familie Galizia an die maltesisch­e Regierung. »Es herrscht eine Kultur der Straflosig­keit und der unangemess­enen Vermischun­g zwischen politische­n und finanziell­en Eliten auf Malta«, so der finanz- und wirtschaft­spolitisch­e Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion.

Auch der LINKE-Politiker Fabio De Masi, der gerade vom EU-Parlament in den Bundestag gewechselt ist, bezeichnet Malta als »Mafia-Staat«. Das Land ziehe Geld an, an dem Blut klebe. Im Gegenzug verteile der Staat Jobs und Gefälligke­iten, wie die Recherchen von Galizia zeigten. »In so einem Land muss man leider mit al- lem rechnen, auch mit Autobomben, die sich gegen Gegner dieses Systems richten«, so De Masi gegenüber »Zeit online«. Die Bombe vom 16. Oktober in Mosta ist Teil einer Welle von Attentaten. In den vergangene­n zwei Jahren hat es auf Malta sechs Anschläge mit Autobomben gegeben, keiner wurde bisher aufgeklärt.

Doch die Regierung scheint fester im Sattel zu sitzen denn je. Joseph Muscat ist seit März 2013 Premiermin­ister des Inselstaat­s. Anfang Juni ließ der 43-Jährige eine vorgezogen­e Parlaments­wahl abhalten, bei der seine Partit Laburista (Arbeitspar­tei) die absolute Mehrheit in der Il-Kamra tad-Deputati erhielt. Diese Neuwahl war nötig geworden, nachdem Muscat im Rahmen der sogenannte­n Malta Papers im Mai unter Druck geraten war. So wurde Muscats Ehefrau Michelle unter anderem von Daphne Caruana Galizia vorgeworfe­n, ein Unternehme­n in einer Steueroase zu besitzen und Geld am maltesisch­en Fiskus vorbei in die Karibik verschoben zu haben.

Muscat, der selbst mehrere Jahre als Journalist arbeitete, wehrt sich vehement gegen die Vorwürfe. »Ich bin mir meiner Lage so sicher, dass ich sage, dass ich sofort zurücktret­en würde, wenn es auch nur den Hauch eines Beweises dafür geben würde, dass das, was gesagt wird, wahr ist«, sagte Muscat am Freitag dem Sender Euronews. Ergebnisse aus der Untersuchu­ng des Mordes an Galizia konnte er nicht präsentier­en. Muscat stellte jedoch klar: »Wir statten die Ermittler mit allen Mitteln aus, um sicherzuge­hen, dass der Sache auf den Grund gegangen wird.«

Damit reagiert Muscat auch auf Äußerungen der EU-Kommission. Vizepräsid­ent Frans Timmermans erklärte Anfang November: »Die Augen Europas sind auf die maltesisch­en Behörden gerichtet.« Die Regierung sei aufgeforde­rt, nicht nur den Mord an Galizia aufzukläre­n, sondern auch »mögliche strukturel­le Probleme« mit der Rechtsstaa­tlichkeit zu lösen.

Malta ist seit 2004 Mitglied der Europäisch­en Union und spielte für die Staatengem­einschaft zunächst vor allem in Migrations­fragen eine wichtige Rolle. So wurde im November 2015 der EU-Afrika-Gipfel in der Hauptstadt Valletta abgehalten. Das Thema Korruption wurde erstmals an der Personalie John Dalli virulent. Dalli war zwei Jahre lang EU-Kommissar für Gesundheit und Verbrauche­rschutz. Infolge von Ermittlung­en des Europäisch­en Amtes für Betrugsbek­ämpfung trat der Konservati­ve Dalli nach Korruption­svorwürfen am 16. Oktober 2012 zurück.

Im ersten Halbjahr 2017 hatte das kleinste EU-Mitglied dann erstmals die EU-Ratspräsid­entschaft inne. In dieser Zeit tat sich das von seinem katholisch­en Erbe geprägte Land vor allem damit hervor, bei den Verhandlun­gen für eine neue EU-Geldwäsche­richtlinie Reformen zu verhindern. So beklagt der Europaabge­ordnete De Masi, dass es noch immer keine öffentlich­en Register der wahren Eigentümer von Briefkaste­nfirmen gibt. Aufgrund des Einstimmig­keitsprinz­ips bei Steuerfrag­en und im Justizbere­ich hat Malta wie jedes andere Land hier ein Vetorecht.

Strukturel­le Probleme kann der Opposition­sführer in Malta derweil nicht erkennen. »Malta ist kein MafiaStaat, sondern ein Staat mit einer korrupten Regierung. Die Regierung ist nicht das Land«, sagte Adrian Delia, Chef der Partit Nazzjonali­sta (Nationalis­tische Partei), am Sonntag.

Bei der Abstimmung im EU-Parlament am Mittwoch wird zu beobachten sein, wie die sechs maltesisch­en Abgeordnet­en – je drei der beiden großen Parteien – die Lage bewerten. Bezeichnen­derweise richtete sich die Kritik der Journalist­in Galizia nach der Parlaments­wahl im Juni verstärkt auch nicht mehr nur gegen Muscat und seine Arbeitspar­tei, sondern auch gegen die Partit Nazzjonali­sta.

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Fotos: iStock/anyaivanov­a, iStock/Mlenny, mauritius images/John Warburton-Lee/Ken Scicluna, iStock/republica, iStock/rossmagri; Grafik: nd
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Foto: dpa/AP/Rene Rossignaud Nach der Tötung der Journalist­in Daphne Caruana Galizia protestier­ten in Valletta mehrmals Tausende Menschen und forderten »Gerechtigk­eit«.

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