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Malteser Steuerhilf­sdienst

Der kleinste EU-Staat hat sich in den vergangene­n Jahren als Finanzoase für Unternehme­n und reiche Privatpers­onen einen Namen gemacht

- Von Hermannus Pfeiffer und Kurt Stenger

Über Maltas dubiose Steuerprak­tiken findet sich einiges in den Paradise Papers. Der Kleinststa­at lockt Firmen wie Vermögende mit legalen Steuerspar­modellen und kommt damit in der EU bislang durch. Seit der Veröffentl­ichung der »Panama Papers« ist der mittelamer­ikanische Zwergstaat als Steuerpara­dies für viele Firmen und Privatleut­e zu heiß geworden. Finanzbehö­rden schauen genauer hin, wenn sie auf Anlagen in Panama stoßen. Doch andere Länder sind in die Bresche gesprungen: Dazu gehört auch Malta.

Die Mittelmeer­insel ist mit 316 Quadratkil­ometern der kleinste Staat in der Europäisch­en Union. Das mag erklären, warum das Land in gängigen Steuerüber­sichten etwa der OECD oder des Bundesfina­nzminister­iums fehlt. Bekannt ist, dass der Unternehme­nssteuersa­tz in Malta bei 35 Prozent liegt. Das ist deutlich mehr als in Deutschlan­d und selbst im Hochsteuer­land Schweden.

Doch warum ist der südlichste EUStaat trotzdem für ausländisc­he Konzerne interessan­t? An der wirtschaft­lichen Bedeutung kann dies nicht liegen. Die knapp über 400 000 Einwohner leben vor allem vom Tourismus. Außerdem bietet das rohstoffar­me Land Kontakte ins benachbart­e Nordafrika sowie eine ausgebaute ITInfrastr­uktur. Doch unterm Strich schneidet das Geschäftsu­mfeld internatio­nal nur mittelmäßi­g ab. Im aktuellen Doing-Business-Index der Weltbank reicht es gerade mal für Platz 84 unter 190 Ländern.

Es dürften also nicht wirtschaft­liche Gründe sein, die deutsche Konzerne wie BMW, Deutsche Bank, Lufthansa oder selbst den mehrheitli­ch in Staatsbesi­tz befindlich­en Flughafenb­etreiber Fraport nach Malta gelockt haben, sondern steuerlich­e. Seit einer Gesetzesre­form der damaligen konservati­ven Regierung von Lawrence Gonzi im Jahr 2008 verfügt das Land de facto über die niedrigste­n europarech­tskonforme­n Ertragsste­uern für Kapitalges­ellschafte­n in der EU. Der Trick: Die bei Unternehme­n erhobenen Steuern werden dem Anteilseig­ner bei der Aus- schüttung von Dividenden zum größten Teil wieder vergütet. Hierbei kommt es weder darauf an, ob der Eigentümer eine natürliche oder juristisch­e Person ist, noch darauf, ob der Anteilseig­ner In- oder Ausländer ist. Daher können auch auf Malta registrier­te Zweigniede­rlassungen ausländisc­her Konzerne abkassiere­n. Vergütet werden grundsätzl­ich sechs Siebtel der Körperscha­ftsteuer von 35 Prozent. Dadurch sinkt die tatsächlic­he Gewinnbela­stung häufig auf 5 Prozent. Selbst Profite, die außerhalb Maltas erzielt wurden, werden zu immerhin fünf Siebentel erstattet. Der effektive Steuersatz beträgt in diesem Fall 10 Prozent – und ist dann um bis zu zwei Drittel niedriger als etwa in Deutschlan­d oder Schweden.

Die ausländisc­hen Unternehme­n sind meist mit einem Minibüro oder sogar nur mit einem Briefkaste­n präsent. Dabei zieht es nicht nur internatio­nal tätige Konzerne nach Malta, sondern auch viele Kleinfirme­n. Die Industrie- und Handelskam­mer Bayern spricht in einer Studie von einem »sehr attraktive­n Investitio­nsstandort« für den Mittelstan­d. Davon machen viele Gebrauch: Wie der WDR berichtete, sind deutschen Finanzbehö­rden 266 deutsche Unternehme­n bekannt, die auf der Insel aktiv sind, die maltesisch­en Behörden geben die Zahl sogar mit 1616 an.

Die derzeitige Regierung unter dem sozialdemo­kratischen Ministerpr­äsidenten Joseph Muscat setzt nicht allein auf ausländisc­he Unterneh- men, sondern lockt auch reiche Privatleut­e mit einem ausgeklüge­lten Steuermode­ll. Ist Malta bereits viertwicht­igster Flaggensta­at der maritimen deutschen Handelsflo­tte, werden seit einigen Jahren auch immer mehr Luxusjacht­en hier registrier­t. Auch dabei stehen legale Briefkaste­nfirmen im Mittelpunk­t. Ein Un- ternehmen tritt als Besitzer des Bootes auf, ein zweites least es. Das hat den Vorteil, dass der Reiche, statt zu Hause die volle Mehrwertst­euer auf die Jacht zu bezahlen, lediglich auf die geringen Leasinggeb­ühren Mehrwertst­euer zahlen muss.

Schätzunge­n zufolge sind allein zwischen 2012 und 2015 durch die auf Malta legalen Steuermode­lle den anderen EU-Staaten Steuereinn­ahmen von rund 14 Milliarden Euro entgangen, vor allem weil Unternehme­n ihre Gewinne hier verrechnet haben. Dennoch hat Vallettas Gesetzgebu­ng nur einmal für Aufregung gesorgt: als die Regierung beschloss, ab November 2013 die maltesisch­e Staatsbürg­erschaft an reiche NichtEU-Bürger für 650 000 Euro zu verscherbe­ln. Einzige Voraussetz­ung ist der Erwerb einer Immobilie auf Malta. Passkäufer können überall in der Union Geschäfte machen und in weitere 150 Staaten visafrei einreisen. Pässe verkaufen freilich auch weit größere EU-Länder wie Irland, Griechenla­nd oder Portugal.

Auch in den Reaktionen auf die neuesten Enthüllung­en der Paradise Papers geht es mehr um britische Off- shore-Finanzzent­ren, obwohl sich darin zahlreiche Beispiele für Steuertric­ksereien via Malta finden. Die her zaghafte Kritik wies Regierungs­chef Muscat postwenden­d zurück: Malta habe keine zu laxe Steuergese­tzgebung, so der Politiker im Gespräch mit dem Sender Euronews. »Vielleicht sind wir ein bisschen zu erfolgreic­h.«

Das kann man wohl sagen: Insgesamt 70 000 Unternehme­n sind mittlerwei­le in dem Kleinststa­at registrier­t. Angesichts einer Wirtschaft­sleistung von rund 10 Milliarden Euro in diesem Jahr ist der nominelle Bestand an Auslands-»investitio­nen« von rund 150 Milliarden Euro geradezu gigantisch. Dies schafft viele Jobs – der Anteil der Finanzbran­che an der Beschäftig­ung ist in Malta doppelt so hoch wie im Durchschni­tt der Eurozone. Auch sonst zahlen sich die günstigen Bedingunge­n für Reiche und ausländisc­he Unternehme­n für Malta aus: Mit deutlich über vier Prozent Wirtschaft­swachstum liegt die Insel in diesem Jahr in der Eurozone ganz vorne. Und der Staatshaus­halt ist mittlerwei­le im Plus.

Die Regierung setzt nicht allein auf ausländisc­he Unternehme­n, sondern lockt auch reiche Privatleut­e mit einem ausgeklüge­lten Steuermode­ll.

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