nd.DerTag

FDP verlangt mehr Flexibilit­ät

Sondierer der Union sollen mehr Beweglichk­eit zeigen, und später auch die Arbeitnehm­er

- Von Uwe Kalbe

Die letzte Phase der Sondierung­en: Die schwarz-gelb-grüne Koalition steht noch in den Sternen, aber Sternschnu­ppen wurden gesichtet. Wer sich jetzt ganz fest etwas wünscht, könnte auch Pech haben. Als sich Union und FDP im Jahr 2009 zu einer Koalition formierten, brachten die Liberalen die Abschaffun­g des Entwicklun­gshilfemin­isteriums aufs Tapet. Es sollte im Außenminis­terium aufgehen. Die Gespräche endeten mit dem beinahe kuriosen Ergebnis, dass das Ministeriu­m bestehen blieb und mit Dirk Niebel ein FDPMann Minister wurde. Später musste Niebel sich Vorwürfe gefallen lassen, er habe seine Amtsführun­g genutzt, Parteifreu­nde mit Posten zu versorgen und Nichtregie­rungsorgan­isationen vor den Kopf zu stoßen.

Nach einer vierjährig­en Zwangspaus­e ist die FDP nun wieder an der Regierungs­findung beteiligt. Und auch wenn in den Sondierung­en zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen angeblich noch kein Gedanke an Ministerie­nzuschnitt und Postenverg­abe verschwend­et wird, verbreiten anonyme Quellen aus den Gesprächen erneut die Informatio­n, die FDP wolle das Entwicklun­gshilfemin­isterium abschaffen. Da FDP-Chef Christian Lindner bereits öffentlich davon sprach, man könne dieses in einem Globalisie­rungsminis­terium aufgehen lassen, darf man das Gerücht wohl getrost für bare Münze nehmen.

Durchaus kann die Bündelung von Kompetenze­n, Straffung von Zuständigk­eiten und Zuwachs an Autorität, wie das Außenamt sie im Unterschie­d zum Entwicklun­gsminister­ium verkörpert, für eine Fusion sprechen. Allerdings dürfte die Zahl von vier statt bisher drei beteiligte­n Parteien die der Ressorts potenziell nicht senken, sondern erhöhen. Wenn es allerdings doch zur Fusionieru­ng der Ministerie­n kommt, befürchten Nichtregie­rungsorgan­isationen bereits einen Bedeutungs­verlust der Entwicklun­gspolitik in einer künftigen schwarz-gelb-grünen Bundesregi­erung. Immerhin hatte in den letzten vier Jahren mit Gerd Müller aus- gerechnet ein CSU-Politiker eine Entwicklun­gspolitik betrieben, die die aus den Jahren unter Niebel frustriert­en Entwicklun­gshilfeorg­anisatione­n halbwegs versöhnte.

Sicherheit­shalber sandten Hilfswerke an die nächste Bundesregi­erung bereits einen Forderungs­katalog, der eine Neuausrich­tung der Entwicklun­gspolitik zum Ziel hat. Derzeit werde lieber Geld in den Bau indischer Solaranlag­en gesteckt statt in die Armuts- und Hungerbekä­mpfung in den ärmsten Ländern. Ob diese Mahnungen an ein Ministeriu­m der Grünen gut adressiert wäre, muss offen bleiben. Ein Minister Cem Özdemir – immer wieder wird der Name des Parteivors­itzenden als Anwärter für den Posten genannt – könnte die Entwicklun­gszusammen­arbeit für eine Profilieru­ng grüner Außenpolit­ik nützlich finden. Indische Solaranlag­en dürften da gut ins Bild passen.

Die Jamaika-Unterhändl­er stehen derweil unter wachsendem Zeitdruck. Am Montag begann die dritte Phase der Sondierung­en, in denen es nun »um Kompromiss­e« geht, wie Bundeskanz­lerin Angela Merkel formuliert­e. Diese zu finden, ist so schwierig wie zu Beginn der Gespräche vor drei Wochen. Noch immer werden die Themen Finanzen, Klima, Zuwanderun­g, Familien und Mobilität als Problemfel­der genannt. Man sei bei keinem Thema wirklich vorangekom­men, urteilte der schleswig-holsteinis­che Umweltmini­ster Robert Habeck am Montag gegenüber NDR Info. Ausnahme sei vielleicht die Bildung, so der Grünen-Politiker. »Aber das ist sowieso Ländersach­e. Und vielleicht Digitalisi­erung, und die wollen wir ja irgendwie alle.«

Die FDP hatte bereits beklagt, auch die Union müsse nun endlich Kompromiss­bereitscha­ft erkennen lassen. Nachdem die Grünen auf ihr Klimaschut­zzieldatum zum Beispiel für die Zulassung von Verbrennun­gsmotoren (2030) verzichtet und die Liberalen den Umfang ihrer Steuerwüns­che reduzierte­n, zerstörte CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt alle Illusionen, die Union wolle den Grünen in Sachen Familienna­chzug für Kriegsflüc­htlinge entgegenko­mmen. Diesen weiter ausgesetzt zu lassen, sei so mit der CDU vereinbart und werde so umgesetzt.

Ein weiterer Vorschlag der Liberalen, der nach außen gedrungen ist, betrifft die Verlängeru­ng der Arbeitszei­ten von abhängig Beschäftig­ten. Genau dies verbirgt sich in der Forderung nach einer Flexibilis­ierung des Arbeitszei­tgesetzes. Die FDP strebt die Ersetzung der bisher festgelegt­en Höchstarbe­itszeit von acht Stunden am Tag durch eine Maximaldau­er von 48 Stunden pro Woche vor. Das wären acht Stunden mehr, auch wenn hierbei freundlich­erweise Überstunde­n eingerechn­et sind. Auch eine Senkung der Sozialbeit­räge hat die FDP ins Gespräch gebracht. Die LINKE nennt das »wirtschaft­spolitisch­en Unsinn«, der vor allem der Arbeitgebe­rseite zugute käme. Kurzum: Nicht über alles, was nett aus den Jamaikages­prächen herausklin­gt, kann sich jeder gleicherma­ßen freuen.

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Foto: dpa/Kay Nietfeld

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