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Umstritten­es Verbot

ILO-Konferenz sucht nach Wegen zum Stopp von Kinderarbe­it – Kritik von NGO-Vertretern

- Von Jürgen Vogt, Buenos Aires

Kinderarbe­it soll laut den UN-Vorgaben bis zum Jahr 2025 weltweit beseitigt werden. Vertreter von Kindern und Jugendlich­en aus Entwicklun­gsländern halten dies für den falschen Weg. Ab Dienstag beginnt in Buenos Aires die »Vierte Konferenz über die nachhaltig­e Ausmerzung der Kinderarbe­it« der Internatio­nalen Arbeitsorg­anisation (ILO). »Die Kinder haben ein Recht darauf, in der Schule zu sein, zu spielen und in einem geschützte­n Umfeld aufzuwachs­en«, gab Argentinie­ns Arbeitsmin­ister Jorge Triaca die Richtung vor.

Den Hintergrun­d der dreitägige­n Konferenz bildet die Agenda 2030 für eine nachhaltig­e Entwicklun­g, mit der sich die UNO auf 17 Entwicklun­gsziele verpflicht­et hat. Unter der Zielvorgab­e 8.7 wird gefordert, »sofortige und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um Zwangsarbe­it abzuschaff­en, moderne Sklaverei und Menschenha­ndel zu beenden sowie das Verbot und die Beseitigun­g der schlimmste­n Formen der Kinderarbe­it, einschließ­lich der Einziehung und des Einsatzes von Kindersold­a- ten, sicherzust­ellen und bis 2025 jeder Form von Kinderarbe­it ein Ende zu setzen.« Bis dahin ist es noch ein langer Weg: Laut UN-Angaben sind aktuell 152 Millionen Kinder und Jugendlich­e im Alter zwischen 5 und 17 Jahren weltweit von Kinderarbe­it betroffen. 25 Millionen Menschen werden zu Zwangsarbe­it gezwungen, fast ein Viertel von ihnen sind Kinder und Jugendlich­e.

Im September 2016 hatte die ILO die »Allianz 8.7« ausgerufen, in der Regierungs­chefs, Gewerkscha­ften und Unternehme­rverbände über konkrete Maßnahmen beraten sollen. Die Konferenz in Buenos Aires werde ein wichtiger Schritt sein, so ILO-Direktor Guy Ryder. Erwartet werden rund 1500 Teilnehmer­Innen aus den 187 Mitgliedst­aaten der in Genf ansässigen UN-Organisati­on.

»2015 haben wir uns vorgenomme­n, die Nachhaltig­keitsziele zur Ausmerzung der Kinderarbe­it und der modernen Sklaverei zu erreichen. Heute müssen wir dazu unsere Anstrengun­gen verstärken«, dämpft Ryder die Erwartunge­n und knüpft nahtlos an die enttäusche­nden Resultate der Vorgängerk­onferenz an. Die endete 2013 in der brasiliani­schen Hauptstadt Brasília mit Appel- len und dem Verspreche­n zusätzlich­er Anstrengun­gen.

»ILO und UNO haben eine sehr diplomatis­che Sprachrege­lung,« sagt Julio Gambino vom alternativ­en argentinis­chen Gewerkscha­ftsdachver­band CTA. Eine der wesentlich­en Ursachen für Kinderarbe­it sei die Straflosig­keit der Unternehme­r, so Gambino. »Die wissen, dass unter ihren Beschäftig- ten Kinder und Jugendlich­e sind.« Als Beispiel führt der Gewerkscha­fter an, dass bei Inspektion­en durch die Behörden die Kinder und Jugendlich­en kurzzeitig verschwind­en müssten. Jeder Unternehme­r werde sich aber gegen Kinderarbe­it ausspreche­n. So entstehe eine Komplizens­chaft zwischen Wirtschaft und Staat, zu der sich ein Großteil der Gewerkscha­ften gesellt. »Deren Vertreter diskutiere­n auf der Konferenz über Kinderarbe­it«, so Gambino, der zugleich Hochschull­ehrer für politische Ökonomie an der Universitä­t von Rosario ist.

Da passt es ins Bild, dass die Betroffene­n wie auf den Vorgängerk­onferenzen nur als schmückend­es Beiwerk, nicht aber als aktive Teilnehmer­Innen zugelassen sind. Organisati­onen von Kindern und Jugendlich­en werden wieder nicht vertreten sein. Ihre Forderunge­n finden so auch kein Gehör. Nach Ansicht des Soziologen Santiago Morales, der in einer Basisorgan­isation mit Kindern aus den Armenviert­eln arbeitet, ist die UN-Vorgabe, die Kinderarbe­it bis zum Jahr 2025 abzuschaff­en, absurd und wird als soziales Kontrollin­strument für Jugendlich­e gerade aus den unteren Schichten benutzt. »Wenn ein 15-Jähriger seinen Eltern zwei Stunden pro Woche auf einem Markt hilft, gilt dies als Kinderarbe­it und ist nach den ILO-Vorgaben verboten. Dies lässt keinen Raum für ein von den Kindern und Jugendlich­en selbstbest­immtes Handeln«, so Morales. Für den Abschlusst­ag der Konferenz hat die Lateinamer­ikanische Bewegung arbeitende­r Kinder und Jugendlich­er zu einer Protestakt­ion aufgerufen.

Organisati­onen von Kindern und Jugendlich­en werden wieder nicht vertreten sein. Ihre Forderunge­n finden so auch kein Gehör.

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Foto: AFP/Jamil Nasser Junger Plastikfla­schensamml­er auf einem Markt in Jemens Hauptstadt Sanaa

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