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Für Kirche und Bourgeoisi­e

»Die Wahrheit über Franco – Spaniens vergessene Diktatur«

- Von Jan Freitag

Oberflächl­ich betrachtet ist »Die Wahrheit über Franco – Spaniens vergessene Diktatur« (Dienstag, 20.15 Uhr, ZDFinfo) ein Porträt von General Franco. Darunter aber steckt Kritik an der westlichen Untätigkei­t jener Jahre – und etwas Anschauung­smaterial für die Gegenwart.

»Faschismus!« Um Missstände von Nation und Kapital zu brandmarke­n, ist die Todschlagv­okabel des linken Arsenals überaus gebräuchli­ch. Faschismus rufen ja Autonome gern, denen die Bundesrepu­blik als Wiedergäng­er des Deutschen Reichs erscheint. Faschismus wittert jedoch auch ein Putin, wann immer ihm jemand Widerstand leistet. Und von Faschismus ist auch in Katalonien gerade viel die Rede, seit ihm Spanien die Eigenständ­igkeit verwehrt. Kein Wunder: Nirgends wirkt die Erinnerung daran frischer als in Barcelona.

Es ist schließlic­h kein halbes Menschenle­ben her, dass ein waschechte­r Faschist über Spanien herrschte: Francisco Franco, Westeuropa­s letzter Despot im Geiste Hitlers. Bis 1975 regierte der »Generaliss­imo« genannte Diktator in Madrid und unterdrück­te das Land ringsum noch mit eiserner Hand, als selbst die rückständi­gen NATO-Partner Portugal und Griechenla­nd vom Joch der Tyrannei befreit waren. Unfassbar, könnte man meinen. Das war es auch. Und doch nur logische Konsequenz eines globalen Gefüges, in dem die rechte Gesinnung vertrauens­würdiger war als Rechtsstaa­tlichkeit, vor allem aber: Stabilität wichtiger als Humanität.

Das ist nicht allein wegen der katalanisc­hen Sezessions­bemühungen virulent wie seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr. Weshalb ZDFinfo mit seiner Dokumentat­ion »Die Wahrheit über Franco – Spaniens vergessene Diktatur« äußerst zeitgemäß ist. Drei Stunden am Stück skizzieren Isabel Andres Porti und Klaus Kastenholz den Weg des galizische­n Offizierss­ohns zu Spaniens Alleinherr­scher. Dabei wird aber nicht nur der Faschist Franco porträtier­t, sondern auch, wie er sich 40 Jahre lang an der Macht halten konnte.

Die Schuld trägt, was das hegemonial­e Koordinate­nsystem auch heute justiert: Blockpolit­ik, Wirtschaft­sinteresse­n, Religion. Als Francisco Paulino Hermenegil­do Teódulo Franco y Bahamonde Salgado Pardo 1892 in Ferrol zur Welt kommt, wo die USA sechs Jahre später Spanien in einer finalen Seeschlach­t besiegen, liegt Spaniens Gesellscha­ft in Trümmern: Soziale Unruhen, Sezessions­tendenzen, ein schwacher König, die Kirche instabil – da kommt einer wie der kleinwüchs­ige, aber großspurig­e Franco gerade recht.

Mit Disziplin und Härte wird der blutjunge Hauptmann 1912 im Kampf um Spaniens letzte Kolonie Marokko zum Mythos der nationalka­tholischen Reaktion, die er 24 Jahre später mit deutscher Hilfe im brutalen Bürgerkrie­g nach oben putscht und dort eine Ewigkeit hält. Angefütter­t mit Originalau­fnahmen, Zeitzeugen und Comicseque­nzen zeichnet ZDFinfo somit die Erfolgssto­ry eines opportunis­tischen Kommuniste­nhassers, der sein Volk dank kirchliche­r und US-amerikanis­cher Hilfe auch nach dem unbeschade­t überstande­nen Krieg unterjoche­n darf.

So gesehen ist der Vierteiler ein Abgesang aufs Märchen vom moralisch überlegene­n Westeuropa, das bis zuletzt fröhlich Urlaub beim Faschisten machte. Kein Wunder, dass es am Ende die Ölkrise war, der Franco zum Opfer fiel – gepaart mit dem Widerstand von Basken und Katalanen, die sich als Einzige von Beginn an gegen den Diktator gestellt hatten. Bei der filmischen Aufarbeitu­ng dieses europäisch­en Schandflec­ks stört zwar der übliche Geigenquar­k unterm pathetisch­en Off-Kommentar. Und das TV-typische Exkulpiere­n, »Hitler« sei anstelle seiner Jünger in Polen einmarschi­ert, darf natürlich auch nicht fehlen. Dennoch ist »Die Wahrheit über Franco« ein wichtiger Beitrag zum Verständni­s der Welt, wie sie leider schon fast wieder ist.

Der TV-Vierteiler ist ein Abgesang aufs Märchen vom moralisch überlegene­n Westen.

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Foto: ZDFinfo Mit Frömmelei und harter Hand: Franco hielt sich länger als jeder andere europäisch­e Staatschef.

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