Simbabwes Militär greift in Machtkampf ein
Auseinandersetzung um die Nachfolge von Langzeitpräsident Robert Mugabe eskaliert
In Simbabwe ist der Kampf um die Nachfolge von Langzeitpräsident Robert Mugabe eskaliert: Das Militär hat in einem Putsch die Macht an sich gerissen. Simbabwes Shopping-Queen hat sich verrechnet: Grace Mugabe, die 52-jährige Ehefrau des Langzeitherrschers Robert Mugabe hatte einst erklärt, als »Ehefrau des Präsidenten« sei sie »schon Präsidentin«. In ihrer privilegierten Situation, die ihr auch Einkaufstouren in Europas Konsumtempeln sicherte, forderte sie ihren Gatten öffentlich dazu auf, ihren Kontrahenten Emmerson Mnangagwa als Vizepräsidenten zu entlassen. Mnangagwa hatte einst mit Mugabe im antikolonialen Befreiungskampf gegen das weiße Minderheitsregime im damaligen britischen Rhodesien gekämpft, aus dem dann 1980 Simbabwe als neuer Staat entstand.
Mit der Entlassung Mnangagwas vor einer Woche nahm der seit Jahren währende Machtkampf um die Nachfolge Mugabes an Fahrt auf. Mnangagwa floh nach Südafrika, Grace Mugabe schien vor dem Parteitag der Regierungspar- tei ZANU-PF im kommenden Monat fast am Ziel. Bis Militärchef Chiwenga zugunsten seines alten Verbündeten Mnangagwa eingriff.
Am Mittwochmorgen waren der Amtssitz des Präsidenten in Harare und das Parlament von Soldaten abgeriegelt, sie kontrollierten auch wichtige Verkehrsadern. Bereits seit Dienstag gab es eine verstärkte Militärpräsenz in der Hauptstadt. Soldaten nahmen Augenzeugen zufolge Finanzminister Ignatius Chombo fest. Er gilt als prominenter Unterstützer von Grace Mugabe. Zunächst unbestätigten Berichten zufolge sollen auch weitere Minister festgenommen worden sein.
Mugabe selbst wurde vom Militär unter Hausarrest gestellt, wie Südafrikas Präsident Jacob Zuma nach einem Telefonat mit ihm erklärte. Der Präsident sei wohlauf. Südafrika appellierte an alle Beteiligten, sich für eine friedliche Beilegung der Krise einzusetzen. Zur Vermittlung schicke Südafrika unter anderem Verteidigungsministerin Nosiviwe Mapisa-Nqakula nach Simbabwe.
In Simbabwe wendeten sich langjährige Unterstützer bereits vom Präsidenten ab. Die einflussreiche Vereinigung der Kriegsve- teranen etwa forderte Mugabes Rücktritt von Partei- und Staatsführung. Es solle zudem eine Untersuchung der Straftaten geben, die der Staatschef während seiner Amtszeit begangen habe, forderte Generalsekretär Victor Matemadanda bei einer Pressekonferenz in Harare. Matemadanda ist ein Verbündeter des kürzlich geschassten Vizepräsidenten Emmerson Mnangagwa.
Im Zentrum von Harare war am Mittwoch eine starke Militärpräsenz sichtbar, es blieb jedoch zunächst friedlich. In der Nacht hatte es Augenzeugen zufolge mindestens drei laute Explosionen gegeben, auch Schüsse wurden gehört. Die Streitkräfte forderten alle Sicherheitskräfte auf, im Interesse des Landes mit den Soldaten zu kooperieren. Die Botschaften der USA und Großbritanniens ermahnten ihre Staatsbürger in Sim- babwe wegen der unklaren Situation zu großer Vorsicht und forderten sie auf, zu Hause zu bleiben. Die Botschaften der USA und der Niederlande sollten am Mittwoch geschlossen bleiben.
Armeechef Chiwenga hatte der Regierung bereits am Montag öffentlich gedroht, die Armee sei angesichts der Krise im Land bereit »einzuschreiten«. Die Regierungspartei ZANU-PF sprach daraufhin am Dienstag von Verrat und Anstachelung zur gewaltsamen Auflehnung gegen die verfassungsrechtliche Ordnung. Mugabe wird beim Gehen inzwischen häufig gestützt, bei öffentlichen Auftritten wurde er zuletzt immer wieder schlafend fotografiert. Er hatte jedoch angekündigt, sich 2018 um eine weitere Amtszeit zu bewerben.
Simbabwe mit seinen etwa 15 Millionen Einwohnern gehört einem UN-Index zufolge zu den ärmsten Staaten der Welt. Mugabe hat die frühere Kornkammer des südlichen Afrikas heruntergewirtschaftet. Das Land hat sich bislang noch nicht von einer schweren Wirtschaftskrise erholt, in Folge derer es 2008 zu einer galoppierenden Hyperinflation und zum Zerfall der Landeswährung kam.
In Simbabwe wendeten sich langjährige Unterstützer bereits von Präsident Robert Mugabe ab.
Simbabwes Armee stellt Präsident Mugabe unter Hausarrest. Als Putsch will die Militärführung ihr Eingreifen aber nicht verstanden wissen. Es geht darum, Pfründe zu sichern. Es ist noch kein Jahr her, da forderte die Jugendliga der simbabwischen Regierungspartei ZANU-PF auf dem jährlichen Parteitag, Staatschef Robert Mugabe möge zum »Präsident auf Lebenszeit«, mit »weitreichenden Machtbefugnissen« erklärt werden. Seit Mittwochmorgen stehen nun Soldaten vor dem Haus des 93-Jährigen. Mugabe, der seit dem Ende des weißen Rassistenregimes 1980 an der Spitze Simbabwes stand, steht nun unter Hausarrest, er ist de facto entmachtet, auch wenn das Militär es nicht so nennen will. Der Präsident und seine Familie seien »sicher und wohlauf und ihre Sicherheit garantiert«, erklärte Militärsprecher Sibusiso Moyo in einer Ansprache in der Nacht zu Mittwoch. Diese hielt der Major-General im staatlichen Fernsehen, das seine Truppen zuvor übernommen hatten.
Über Nacht war die Armee zudem an strategisch wichtige Punkte in der Hauptstadt Harare ausgerückt, auch vereinzelte Schüsse und Detonationen waren laut Agenturberichten zu hören. Von Mugabe selbst war seitdem nichts zu vernehmen, lediglich Südafrikas Staatschef Jacob Zuma gab nach einem Telefonat mit seinem Amtskollegen bekannt, dass dieser sein Haus nicht verlassen dürfe, es ihm aber gut gehe. Auch vonseiten der ZANU-PF gibt es bisher keine verifizierte Stellungnahme. Lediglich über einen Twitter-Account mit dem Namen der Regierungspartei hieß es am Morgen, es habe »keinen Putsch«, sondern »lediglich einen unblutigen Machtübergang« gegeben, »bei dem korrupte und betrügerische Personen sowie ein älterer Mann, der von seiner Frau ausgenutzt worden ist, verhaftet wurden.« Wahrscheinlich ist jedoch, dass der Kanal von Kräften bespielt wird, die der Armee nahestehen oder ihr angehören. Auch Militärsprecher Moyo hatte schließlich in seiner TV-Ansprache zuvor betont: »Dies ist keine militärische Übernahme der Regierung. Was die simbabwische Armee macht, ist eine Befrie- dung einer ausgearteten politischen, sozialen und ökonomischen Situation in unserem Land, die, wenn sie nicht behoben wird, zu einem gewaltsamen Konflikt führen kann.«
Moyo folgte damit exakt der Linie, die Armeechef Constantino Chiwenga bereits am Montag bei einer Pressekonferenz im Armeehauptquartier in der Hauptstadt Harare vorgegeben hatte. Der oberste Militär hatte darin politische »Säuberungen« in der Regierungspartei angeprangert, die sich vor allem gegen »Mitglieder mit Befreiungskampfgeschichte« richteten, und erklärt, die Armee fühle sich zu »korrigierenden Maßnahmen« verpflichtet, um die »Errungenschaften des Befreiungskampfes« zu verteidigen. Offiziell soll der Putsch so als verfassungsgemäßes Eingreifen gegen »Kriminelle« gerechtfertigt werden, die sich laut Moyo »im Umfeld« des Präsidenten befunden hätten und »Verbrechen begehen, die soziales und ökonomisches Leid über das Land bringen«.
Hinter dieser Fassade steckt jedoch ein offener Machtkampf innerhalb der ZANU-PF. Die Grenzen der Lager verlaufen dabei zwischen der jüngeren Generation um Mugabes 52jährige Ehefrau Grace und einer alten Garde von Veteranen des Befreiungskampfes um Emmerson Mnangagwa. Beide Lager bereiteten sich seit Jahren auf die Übernahme der Staatsgewalt vor. Nun eskalierte der Konflikt. Grace Mugabe, die einst erklärte als »Ehefrau des Präsidenten« sei sie »schon Präsidentin«, drängte ihren Gatten bei einem Auftritt vor der Partei-Jugendliga öffentlich dazu, ihren Kontrahenten Mnangagwa als Vizepräsidenten zu entlassen. Dem kam der greise Staatschef am Montag vor einer Woche dann auch nach. Mnangagwa floh nach Südafrika, Grace Mugabe schien vor dem ZANU-PF-Parteitag im kommenden Monat fast am Ziel. Bis Militärchef Chiwenga zugunsten seines alten Verbündeten Mnangagwa eingriff.
Letzterer, so berichteten mehrere Medien am Mittwoch, soll nun Gerüchten zufolge übergangsweise die Macht übernehmen. Unwahrscheinlich scheint das nicht, denn Mnangagwa würde damit zwei Funktionen erfüllen: Zum einen könnte das Mili- tär so einen zivilen Staatschef präsentieren, der bei einem – natürlich noch zu erfolgenden – Rücktritt Mugabes ohnehin verfassungsgemäß übernehmen würde. Und zum anderen könnte die alte Garde in Militär und Partei so ihre »Errungenschaften des Befreiungskampfs«, namentlich den Zugang zu den erträglichen Fleischtrögen bei staatsnahen Unternehmen verteidigen. Politisch dürfte sich wenig ändern, was aber auch kaum der Fall gewesen wäre, wenn die Fraktion um Grace Mugabe die Oberhand gewonnen hätte. Lediglich die Zuneigung zu potenziellen Investoren wird nach dem Fall der im Westen verhassten Mugabes nun neu verteilt. Auch dafür braucht die Armee freilich ein demokratisches Antlitz.