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Klima für Merkel »Schicksals­frage«

Kohleausst­ieg soll in letzter Runde der Sondierung verhandelt werden

- Von Aert van Riel

Bonn. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat den Klimawande­l als »Schicksals­frage« für die Menschheit bezeichnet. Mit den bisherigen Maßnahmen könnten die Ziele des Pariser Klimaabkom­mens nicht erreicht werden, sagte Merkel am Mittwoch in einer Rede bei der Weltklimak­onferenz in Bonn. Deshalb bedürfe es zusätzlich­er Anstrengun­gen. »Ich will ganz offen sprechen«, sagte Merkel, »das ist auch in Deutschlan­d nicht einfach.«

Nicht einfach dürfte das Thema auch in der für Donnerstag geplanten letzten Runde der Sondierung­en werden. Die Parteichef­s verhandeln neben anderen Streitpunk­ten die Frage, ob und wie viele Kohlekraft­werke in den kommenden Jahren abgeschalt­et werden. Hier stehen die Grünen in der einen Ecke, Union und FDP in der anderen. Rückendeck­ung bekamen die Grünen durch eine Einschätzu­ng des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums und der Bundesnetz­agentur, nach der die Versorgung­ssicherhei­t in Deutschlan­d auch gewährleis­tet ist, wenn eine Kapazität von sieben Gigawatt an Kohlekraft­werken im Jahr 2020 stillgeleg­t würde.

Umweltverb­ände zeigten sich enttäuscht von Merkels Rede, die Kanzlerin habe sich um »konkrete Aussagen zum Kohleausst­ieg gedrückt«, sagte die Klimaexper­tin des Bundes für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND), Ann-Kathrin Schneider. Im neuen Klimaschut­z-Index der Umweltorga­nisation Germanwatc­h landete Deutschlan­d erneut nur im Mittelfeld.

Am Abend der Bundestags­wahl dürften bei Stefan Kapferer die Sektkorken geknallt haben. Seine FDP war in das Parlament zurückgeke­hrt und hat beste Aussichten, an der neuen Bundesregi­erung beteiligt zu werden. Der Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­andes der Energie- und Wasserwirt­schaft (BDEW) ließ umgehend eine Pressemitt­eilung verbreiten, in der er unter anderem forderte, die Stromsteue­r auf »das zulässige Minimum« zu reduzieren, damit das Produkt Strom »wettbewerb­sfähiger« werde. Der BDEW ist sehr einflussre­ich. In dem Verband sind rund 1800 Konzerne organisier­t, darunter Stadtwerke, große Energiekon­zerne wie RWE und ExxonMobil, aber auch Windparkbe­treiber.

Seine Forderunge­n durfte Kapferer, der früher Staatssekr­etär in Ministerie­n des Bundes sowie in Niedersach­sen war, auch in die Sondierung­sgespräche im Bund zwischen Union, FDP und Grünen einbringen. Das ist ungewöhnli­ch. Bei den Sondierung­en sind nämlich in der Regel aktive Politiker und Beamte vertreten. Der Lobbyist sitzt dort in einer Arbeitsgru­ppe zur Klima- und Energiepol­itik für die Freien Demokraten mit am Tisch. Vom BDEW hieß es zu der Nominierun­g Kapferers, dass bei den Gesprächen »unabhängig­er Sachversta­nd« hinzugezog­en worden sei. Die FDP erklärte, dass Kapferer zwar Mitglied sei, aber kein Verhandlun­gsmandat für die Partei habe und seine Teilnahme auf ausdrückli­che Anregung von Bundeskanz­lerin Angela Merkel und auf Einladung von Kanzleramt­schef Peter Altmaier (beide CDU) erfolge.

Nicht nur die Personalie Kapferer zeigt, dass die FDP weiterhin eine große Nähe zu Wirtschaft­slobbyiste­n pflegt, die vor allem ein Interesse daran haben, dass Steuern gesenkt oder vermieden werden können. So ist es auch nicht verwunderl­ich, dass der stellvertr­etende FDP-Vorsitzend­e Wolfgang Kubicki derzeit als Rechtsanwa­lt Hanno Berger vertritt, der als eine der Schlüsself­iguren bei den skandalöse­n Cum-Ex-Geschäften gilt. Dabei konnten Vermögende den deutschen Fiskus mithilfe eines Schlupfloc­hs bei der Steuer austrickse­n. Trotz seiner dubiosen Kontakte ist Kubicki als neuer Bundesfina­nzminister im Gespräch.

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