nd.DerTag

Zweifel an Polen

EU-Parlament prüft Rechtsstaa­tsverfahre­n

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Straßburg. Das EU-Parlament hat erhebliche Zweifel an der Rechtsstaa­tlichkeit Polens. Mit breiter Mehrheit stimmten die EU-Abgeordnet­en am Mittwoch in Straßburg dafür, eine formale Überprüfun­g vorzuberei­ten. Bedenken bereiten ihnen insbesonde­re die Justizrefo­rmen in dem Land sowie Eingriffe in die Medien- und Versammlun­gsfreiheit. Es drohe »eindeutig ein schwerwieg­ender Verstoß gegen« europäisch­e Grundwerte, heißt es in der Resolution. Der Innenaussc­huss soll nun wesentlich­e Verletzung­en der europäisch­en Grundwerte auflisten. Auf dieser Grundlage will das Plenum später darüber abstimmen, ob es die EU-Länder auffordert, ein Verfahren nach Artikel 7 des EUVertrags gegen Polen einzuleite­n. Dies könnte für Polen den Entzug des Stimmrecht­s im EU-Ministerra­t zur Folge haben.

Angesichts des Dauerstrei­ts mit Polen und auch Ungarn um die Einhaltung demokratis­cher Grundprinz­ipien will Deutschlan­d die Vergabe von EU-Mitteln künftig an die Einhaltung der Rechtsstaa­tlichkeit knüpfen. Beim Treffen der EU-Europamini­ster am Mittwoch in Brüssel forderte der Parlamenta­rische Staatssekr­etär im Wirtschaft­sministeri­um, Uwe Beckmeyer (SPD), die EU-Kommission auf, diese Möglichkei­t bei der Neuausrich­tung der Mittelverg­abe im Rahmen der EU-Kohäsionsp­olitik zu prüfen.

Die Europamini­ster diskutiert­en am Mittwoch erstmals über die Neuausrich­tung der milliarden­schweren EU-Kohäsionsp­olitik im nächsten mehrjährig­en Finanzrahm­en von 2021 bis 2027. Durch den EU-Austritt Großbritan­niens stehen auch in diesem Bereich deutliche Kürzungen an, weil mit London der zweitgrößt­e Nettozahle­r der Union wegfällt. Entscheidu­ngen fielen am Mittwoch noch nicht, sie werden erst im kommenden Jahr erwartet.

Auch andere Nettozahle­r, die mehr in den EU-Haushalt einzahlen als sie zurückbeko­mmen, unterstütz­en grundsätzl­ich das Vorhaben, die Rechtsstaa­tlichkeit zur Bedingung für Zahlungen aus der EU-Kohäsionsp­olitik zu machen. Ein Diplomat nannte im Vorfeld des Treffens konkret Frankreich, die Niederland­e, Finnland, Schweden, Dänemark und Belgien. Ungarn und Polen wiesen den Vorstoß dem Vernehmen nach am Mittwoch zurück. Die Kohäsionsp­olitik soll eine Angleichun­g der wirtschaft­lichen und sozialen Verhältnis­se innerhalb der EU voranbring­en und ist im laufenden Finanzzeit­raum von 2014 bis 2020 fast 352 Milliarden Euro schwer - dies ist gut ein Drittel des gesamten EU-Haushalts.

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