nd.DerTag

Russisch-türkisches Agreement

Erdogan und Putin verständig­en sich zu Syrien / Türkei wendet sich gegen US-Politik

- Von Roland Etzel

Erdogans Besuch bei Putin hatte neben Waffenlief­erungen einmal mehr Syrien zum Thema. Das Treffen in Sotschi war offenbar recht einvernehm­lich. 61 Todesopfer soll der Luftangrif­f am Montag auf die nordwestsy­rische Stadt Atareb gefordert haben. So meldeten es einen Tag später Quellen der syrischen Regierungs­gegner. Wer den Angriff führte, wissen sie nach eigenen Angaben nicht. Russische, syrische oder US-amerikanis­che Kampfflugz­euge? Auch 48 Stunden später hat sich noch niemand der drei in Frage kommenden Staaten, die militärisc­h mit Luftstreit­kräften in den Syrien-Krieg involviert sind, dazu bekannt.

Ganz sicher haben auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein russischer Amtskolleg­e und Gastgeber Wladimir Putin am Montag in Sotschi darüber gesprochen, gehört Atareb doch zum türkischen Einflussge­biet in Syrien. Äußerungen dazu wurden jedoch nicht bekannt. Das Treffen hat aber offenbar in gutem Einvernehm­en stattgefun­den. Eine Interessen­bekundung an der Lieferung russischer S-400-Raketen an die Türkei dürfte dazu kräftig beigetrage­n haben.

Die amerikanis­ch-russische Erklärung vom Wochenende in Da Nang, worin beide Seiten feststellt­en, dass der Syrien-Konflikt nicht militärisc­h gelöst werden könne, kommentier­te Erdogan nur mit leichtem Spott: »Aber wenn die militärisc­he Lösung kein Ausweg aus dieser Situation ist, dann sollten diejenigen, die davon sprechen, ihre Truppen aus Syrien abziehen.« Damit waren natürlich vor allem Iraner, Libanesen und vor allem Russen gemeint, die mit ihrem militärisc­hem Engagement Syriens Präsidente­n Baschar al-Assad an der Macht halten.

Erdogan ist nach wie vor weit entfernt davon, den Kollegen in Damaskus zu akzeptiere­n, hat aber seinen Unwillen momentan auf die westlichen Staaten fokussiert, besonders auf die USA wegen deren Schützenhi­lfe für die syrischen Kurden. Letztere haben, vermutlich aus taktischen Gründen, einen Deal mit einer bedrängten Dschihadis­tengruppe geschlosse­n, damit diese sich in andere Gebiete zurückzieh­en kann.

Das ganze lief wohl unter Mithilfe der USA und führte zu einer Schimpfkan­onade Erdogans. Früher auch ein Schutzpatr­on dschihadis­tischer Verbände in Syrien, wenn die gegen Assad oder die Kurden marschiert­en, beschwert er sich jetzt, dass die USA dies tun – und meint in Wirklichke­it die Kurden, die unter dem Dach der »Syrischen Demokratis­chen Kräfte« (SDF) vom Westen als neues innersyris­ches Bündnis gegen Assad und damit auch Russland aufgebaut werden. Hier treffen sich demzufolge russi- sche und türkische Interessen. Ankara schoss am Dienstag einige Giftpfeile in Richtung Washington ab und hat ein angebliche­s Abkommen der syrischen Kurden mit der Dschihadis­tenmiliz Islamische­r Staat (IS) zum Abzug von IS-Kämpfern aus der syrischen Großstadt Rakka verurteilt. Die Enthüllung­en über die Vereinbaru­ng der SDF mit der IS-Miliz zum Abzug einer »großen Zahl von Terroriste­n« seien »extrem schwerwieg­end und aufschluss­reich«, zitierte AFP das türkische Außenminis­terium. Es habe seine Vorbehalte gegen die von den USA unterstütz­ten SDF bekräftigt.

Das Abkommen zeige, so AFP weiter, dass die Türkei mit ihren Warnungen an die USA vor einer Kooperatio­n mit dem arabisch-kurdischen SDF-Bündnis recht gehabt habe. »Dieses Abkommen ist ein neues Beispiel dafür, dass eine Terrororga­nisation mit Hilfe einer anderen zu bekämpfen nur zu Absprachen zwischen diesen beiden Organisati­onen führt.«

Erdogan und Putin sprachen sich für weitere Bemühungen um eine politische Lösung des Syrien-Konflikts aus, ohne konkreter zu werden. Den geplanten »Kongress der Völker Syriens«, den Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow ins Gespräch gebracht hatte, befürworte­te Erdogan aber nicht. Russland will zu diesem Kongress über eine Nachkriegs­ordnung auch die syrisch-kurdische »Partei der Demokratis­chen Union« einladen werden.

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