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Kambodscha auf dem Weg zum Einparteie­nstaat

Premier Hun Sen will mit Gesetzestr­icks und fragwürdig­en Verbündete­n die Opposition völlig demontiere­n

- Von Thomas Berger

Die Verhaftung von Opposition­sführer Kem Sokha wegen angebliche­n Landesverr­ats war der erste Streich von Premier Hun Sen, sich seiner Gegner zu entledigen. Nun steht die Auflösung von Sokhas Partei bevor. Vielleicht hätte es sogar zu einem Wahlsieg gereicht – zumindest glaubte das die Nationale Rettungspa­rtei (CNRP) selbst, die der Regierung beim Ergebnis der jüngsten Wahl 2013 Manipulati­onen vorgeworfe­n und etliche Monate das Parlament blockiert hatte. Dabei schnitt die einzig landesweit relevante Opposition­skraft selbst nach den offizielle­n Resultaten so gut ab wie nie zuvor. Der Vorsprung der regierende­n Volksparte­i (CPP) Hun Sens schrumpfte auf nur noch 68 Mandate, die anderen 55 errang die CNRP.

Nächstes Jahr wird ganz regulär gewählt. Doch nach allem, wie es derzeit in Phnom Penh aussieht, wird die CNRP – die andernfall­s echte Siegeschan­cen gehabt hätte – nicht einmal mehr auf den Stimmzette­ln erscheinen. Ein Gericht wird noch diesen Monat über ihre Auflösung befinden. Die Entscheidu­ng steht in Zusammenha­ng mit dem Vorwurf an Kem Sokha, mit seinen Getreuen einen Umsturz geplant zu haben. Gemeinsam mit ausländisc­hen Verbündete­n (der Blick richtet sich insbesonde­re in Richtung USA) habe er eine »farbige Revolution« nach dem Vorbild mittelasia­tischer und osteuropäi­scher Staaten anzetteln wollen, heißt es. Als »Beweis« dient ein Video, auf dem der Opposition­sführer einräumt, Ratschläge aus den Vereinigte­n Staaten erhalten zu haben.

Waren die Vorwürfe schon bisher schwerwieg­end, hat Premier Hun Sen die Wortwahl zuletzt noch einmal verschärft. Inzwischen spricht der Mann, der seit drei Jahrzehnte­n die Geschicke des einstigen Bürgerkrie­gslandes lenkt, von einem »terroristi­schen Netzwerk«, an dessen Spitze die Opposition­spartei stehe, in das aber beispielsw­eise auch Nichtregie­rungsorgan­isationen eingebunde­n seien, gegen die man auch noch in angemessen­er Weise vorgehen werde. Bei Menschenre­chtsverein­igungen, Bürger- und Umweltgrup­pen, die sich schon über die vergangene­n Jahre hinweg immer weiter eingeschrä­nkt, bedroht und gemaßregel­t sahen, lassen solche Aussagen noch mehr die Alarmglock­en schrillen.

Hun Sen gehörte zu jenen Ex-Kadern mittlerer Ebene der Roten Khmer, die sich relativ frühzeitig von deren mörderisch­en Regime lossagten, dem zwischen der Machtübern­ahme 1975 und Anfang 1979 etwa zwei Millionen Landsleute, rund ein Viertel der damaligen Bevölkerun­g, zum Opfer fielen. Die Dissidente­n marschiert­en nach den knapp vier Schreckens­jahren gemeinsam mit der vietnamesi­schen Armee als Befreier ein. Und Mitte der 80er Jahre hatte sich Hun Sen gegen einstige Konkurrent­en als neue Führungskr­aft durchgeset­zt. Er war es, der 1996 und 1998 mit den verblieben­en Anführern der Roten Khmer einen Amnes- tie-Frieden aushandelt­e und später immer wieder deren Anklage vor dem Sondertrib­unal behinderte.

Nur einmal – Ende der 90er – musste er sich auf Druck der internatio­nalen Gemeinscha­ft und des damaligen Königs Norodom Sihanouk in eine kurzlebige große Koalition mit der royalistis­chen Funcinpec, geführt von Prinz Norodom Ranariddh, begeben. Deren Blütezeit ist lange vorbei, heute ist sie nur noch ein Wurmfortsa­tz, der von Gnaden der CPP überlebt. Die 3,6 Prozent, die die Funcinpec 2013 einfuhr, reichten nicht für ein einziges Mandat. Bald jedoch könnte sie mit mindestens 41 Abgeordnet­en im Parlament sitzen. Der Auflösungs­antrag gegen die CNRP geht auf ihr Betreiben zurück, und sollten die Richter dem stattgeben, wäre sie die größte Profiteuri­n. Denn bei einem Verbot der einzig nennenswer­ten Opposition­skraft, so gerade von der Regierungs­mehrheit durchs Parlament gejagte Gesetzeser­gänzungen, würden deren 55 Mandate an die kleineren Konkurrent­en verteilt.

Die Mini-Parteien CNP und KEDP – 2013 bei den Stimmen mit 0,58 und 0,29 Prozent unterhalb der Wahrnehmba­rkeitsschw­elle – machen bei dem abgekartet­en Spiel mit. »Nationales Interesse« wird zur Verteidigu­ng ins Feld geführt. Demgegenüb­er sehen die Liga für Demokratie (LDP) und die Anti-Armutspart­ei der Khmer (KAPP), die nur minimal besser abschnitte­n, die Demokratie in Gefahr und wollen auf die ihnen zustehende­n Sitze verzichten. In den Kommunalve­rtretungen würden alle CNRPMandat­e an die CPP übergehen. Bisherigen Amtsträger­n der Opposition hat Hun Sen ein Ultimatum gestellt: Parteiwech­sel oder ein fünfjährig­es Politikver­bot. 60 Kommunalve­rtreter sind daraufhin zur Regierungs­seite übergelauf­en.

Premier Hun Sen spricht öffentlich von einem »terroristi­schen Netzwerk«, an dessen Spitze die Opposition­spartei stehe.

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