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Klimarette­r und Klimakille­r

Deutschlan­d landet beim Länder-Ranking nur im Mittelfeld

- Von Susanne Schwarz, Bonn

Die Klimaschut­zorganisat­ion Germanwatc­h hat untersucht, wie Staaten beim Klimaschut­z abschneide­n. Deutschlan­d landet demnach nur im Mittelfeld. Energiewen­de, Klimakanzl­erin, langfristi­ge Klimaziele: Deutschlan­d gibt sich auf internatio­naler Ebene gern als Vorreiter beim Klimaschut­z. Einem Ranking der Klimaschut­zorganisat­ion Germanwatc­h zufolge ist die Bundesrepu­blik allerdings nur klimapolit­isches Mittelmaß.

Seit 2006 ordnet Germanwatc­h in seinem Klimaschut­z-Index die 56 größten Treibhausg­as-Emittenten unter den Staaten nach Klimafreun­dlichkeit. Deutschlan­d liegt dieses Jahr auf Platz 22 und damit hinter zahlreiche­n EU-Ländern, aber auch hinter Schwellenl­ändern wie Brasilien.

Gemessen am vergangene­n Jahr sieht das erst mal aus wie ein Fortschrit­t – da landete die Bundesrepu­blik noch auf Platz 29. Die Rankings sind aber nicht vergleichb­ar: Germanwatc­h und die beteiligte­n Wissenscha­ftler haben die Methodik des Rankings verändert. Erstmals zählen nicht nur die Menge der Treibhausg­asemission­en, der Energiever­brauch und der Ausbau der erneuerbar­en Energien mit, sondern auch Klimaschut­zpläne und -ziele. Hier schneidet Deutschlan­d gut ab, ohne in der Gegenwart klimafreun­dlicher geworden zu sein.

Spitzenrei­ter ist Schweden – auf Platz 4. Die ersten drei Plätz lässt Germanwatc­h bei dem jährlichen Ranking traditione­ll frei als Symbol dafür, dass kein Land genug Klimaschut­z betreibt, um den internatio­nalen Zielen gerecht zu werden. Auch die anderen skandinavi­schen Länder liegen weit vorn: Norwegen hat Germanwatc­h auf Platz 7 eingeordne­t, Finnland auf Platz 9, Dänemark auf Platz 17.

Was Deutschlan­d tun könnte, um tatsächlic­h zu den Vorreitern zu gehören, kann Jan Burck von Germanwatc­h auf Anhieb sagen. »Gerade in Deutschlan­d gab es in den vergangene­n Jahren insbesonde­re in den Bereichen Verkehr und bei der Kohleverst­romung viel zu wenig Fortschrit­t«, sagt er. Niklas Höhne vom New Climate Institute, der mit am In- dex gearbeitet hat, misst der Kohle ebenfalls eine besonders große Bedeutung bei. Allein durch die Festsetzun­g eines Kohleausst­iegs bis 2030, wie ihn die Grünen in den Sondierung­sgespräche­n fordern, würde die Bundesrepu­blik wohl zehn Plätze aufholen, schätzt er.

Angesichts der erwarteten Rede von Bundeskanz­lerin Angela Merkel auf der Klimakonfe­renz in Bonn appelliert­en Umweltverb­ände an die Kanzlerin: Merkel habe versproche­n, dass Deutschlan­d bis 2020 seine CO2Emissio­nen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 verringern. »Das geht nicht mit Rechentric­ks, sondern nur mit dem Kohleausst­ieg«, mahnte der WWF-Klimaexper­te Michael Schäfer.

Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichke­it ist indes nicht nur für Deutschlan­d typisch. Auch andere Länder verspreche­n Germanwatc­h zufolge mehr, als sie schließlic­h umsetzen. »Wir sehen eine starke Zustimmung zu den allgemeine­n Zielen des Paris-Abkommens auf internatio­naler Ebene«, sagt Burck. »Die Staaten müssen nun schnell Maßnahmen ergreifen und ihren Versprechu­ngen auch Taten folgen lassen.«

Kanada etwa loben die Umweltschü­tzer für seine Leistungen in der internatio­nalen Klimadiplo­matie – wegen seines exorbitant­en Energiever­brauchs, schwachen Klimaziels und sehr hohen Treibhausg­asemission­en landet das nordamerik­anische Land aber trotzdem auf Platz 51.

Auch bei China hebt Germanwatc­h eine »ehrgeizige Führungsro­lle« in der internatio­nalen Klimadiplo­matie hervor. Bei allen anderen Kriterien schneidet das »Reich der Mitte« allerdings schlecht ab und kommt insgesamt nur auf Platz 41.

Die USA liegen im Ranking wenig überrasche­nd weit hinten, nämlich auf Platz 56: Die Pro-Kopf-Emissionen »der Staaten« liegen traditione­ll und nach wie vor hoch, US-Präsident Donald Trump hat den Ausstieg aus dem Paris-Abkommen bekanntgeg­eben, zahlreiche Umweltgese­tze abgeschaff­t und leugnet den menschenge­machten Klimawande­l.

Die ökonomisch­en Voraussetz­ungen für die globale Energiewen­de sind Höhne zufolge eigentlich gut: »Die Daten zeigen ermutigend­es Wachstum und deutlich niedrigere Preise bei Wind- und Sonnenener­gie.«

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