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Ostseehäfe­n in bewegter See

Der Güterumsch­lag insgesamt stagniert – aber es gibt auch Gewinner und Verlierer

- Von Hermannus Pfeiffer

Wolgast war mal der Hafen Berlins. Nun macht Rostock das Geschäft mit Getreide. Doch eine frische Brise weht nicht allein im größten Seehafen. Auf der beliebten Ferieninse­l Rügen laufen die Vorbereitu­ngen für die umstritten­e Ostsee-Pipeline »Nord Stream 2«. Durch die geplante Rohrleitun­g sollen einmal Milliarden Kubikmeter russischen Erdgases nach Deutschlan­d fließen. Noch fehlen Baugenehmi­gungen der Ostseeanra­inerstaate­n. Doch die Vorbereitu­ngen für die zweisträng­ige, 1200 Kilometer lange Gasleitung laufen bereits auf Hochtouren.

Die eine Hälfte der benötigten 200 000 Röhrenelem­ente aus Stahl werden in Mülheim an der Ruhr gefertigt und anschließe­nd in einer Fabrik in Sassnitz mit Beton ummantelt, damit sie später durch ihr Eigengewic­ht auf den Boden der Ost- see absinken können. Hiervon profitiert der Hafen Sassnitz-Mukran. In dem früheren Eisenbahn-Fährhafen übernimmt ein Frachtschi­ff Tag für Tag die fertigen Röhren und transporti­ert sie ins südschwedi­sche Karlshamn in ein Zwischenla­ger. Starker Rückenwind für Sassnitz: Der Güterumsch­lag legte 2016 um über 23 Prozent zu.

Auf Rügen ist man auch für die Zukunft optimistis­ch. So setzt das Hafenmanag­ement hier auf den Ausbau der Windenergi­e. Für das Offshore-Geschäft wurden extra neue Eisenbahng­leise verlegt, um die schweren Seekabel zu verladen. »Mit der Verlängeru­ng der Gleise um 350 Meter bis an die Kaikante sind wir in der Lage, den Umschlag vom Waggon auf das Schiff und vice versa (lat., umgekehrt) flexibler und schneller zu gestalten«, sagt Harm Sievers, Geschäftsf­ührer der Fährhafen Sassnitz GmbH

Nicht überall an der Ostsee ist die Stimmung gut. Lübeck, Wismar und Stralsund beklagen einen teilweise erhebliche­n Rückgang des Güterumsch­lags. Die Gründe sind nicht allein lokaler Natur. So haben sich viele Reedereien zu neuen Allianzen zusammenge­schlossen, um ihre Schiffe besser auszulaste­n.

Zu Lasten einiger Seehäfen gehen auch konjunktur­elle Entwicklun­gen. Während das Energieges­chäft – vom Röhrentran­sport bis zur Versorgung der Windparks auf hoher See – boomt, dümpelt das klassische Stückgut, welches in Containern transporti­ert wird, vor sich hin. Einige Häfen in Mecklenbur­g-Vorpommern spüren zudem die schwache Konjunktur in Russland.

Insgesamt legten die Ostseehäfe­n im vergangene­n Jahr minimal um 0,2 Prozent auf 53 Millionen Tonnen zu, sagte Frank Dreeke, Präsident des Zentralver­bands der deutschen Seehafenbe­triebe auf der Jahrespres­sekonferen­z am Dienstag in Hamburg. An der Nordsee wurden 240 Millionen Tonnen umgeschlag­en. Trotz insgesamt guter wirtschaft­licher Aussichten forderte die deutsche Hafenwirts­chaft Bund und Länder auf, mehr für die Standorte zu tun. »Wir könnten mehr«, erklärte Dreeke vor Journalist­en.

Nicht überall an der Ostsee ist die Stimmung gut. Lübeck, Wismar und Stralsund beklagen einen teilweise erhebliche­n Rückgang des Güterumsch­lags.

Flaute herrscht etwa in Wolgast. Der Güterumsch­lag fiel um mehr als 42 Prozent. Damit setzt sich ein langfristi­ger Trend fort. Ein Grund ist die traditions­reiche, aber längst schwächeln­de Binnenschi­fffahrt nach Berlin. 2001 wurde mit einem Waren- umschlag von über einer Million Tonnen eine Rekordmark­e erreicht – in diesem Jahr dürfte es nur noch ein Zehntel werden. Grund ist der Einbruch bei Getreide. Ein Preiskampf der Spediteure hat dazu geführt, dass viel mehr Weizen von Rostock nach Skandinavi­en und Großbritan­nien verschifft wird. Für die Zukunft hofft die Wolgaster Hafengesel­lschaft auf ein Comeback, »wenn sich die Märkte wieder beruhigt haben«, so ein Sprecher.

Solche Hoffnungen könnten trügen. In Rostock wird gerade ein neuer Getreidete­rminal gebaut. Für die Hansestadt – mit 20 Millionen Tonnen Umschlag der weit größte Ostseehafe­n – ist der Getreideha­ndel allerdings nicht das lukrativst­e Geschäft. Die Zahl der beförderte­n Fährpassag­iere von und nach Nordeuropa stieg im ersten Halbjahr um 70 000 auf eine Million. Dazu kommen mehr als 800 000 Kreuzfahrt­gäste, das sind etwas mehr als im vergangene­n Jahr.

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