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Verschwöru­ng und Hass

Seit etwas über einem Jahr ist die AfD-Fraktion Teil des Abgeordnet­enhauses

- Von Nicolas Šustr

Frauenfein­dlich, verschwöru­ngstheoret­isch und mit rechtsextr­emem Vokabular. Das bürgerlich­e Deckmäntel­chen der AfD im Abgeordnet­enhaus verschleie­rt deren Wesen kaum. 25 AfD-Mitglieder zogen nach der Abgeordnet­enhauswahl ins Berliner Landesparl­ament ein. Der Fraktion gehörten bei ihrer Konstituie­rung am 21. September 2016 nur 24 Mitglieder an. Der als Direktkand­idat gewählte Kay Nerstheime­r verzichtet­e von vornherein auf seine Mitgliedsc­haft. Für den von AfD-Landes- und Fraktionsc­hef Georg Pazderski verfolgten Kurs, möglichst eine bürgerlich­e Fassade zu wahren, äußerte Nerstheime­r seinen Hass auf Minderheit­en zu deutlich. Homosexuel­le bezeichnet­e er auf Facebook als »degenerier­te Spezies«, Flüchtling­e als »widerliche­s Gewürm«. Im Juli dieses Jahres wurde schließlic­h noch Andreas Wild ausgeschlo­ssen, der unter anderem gegenüber dem rbb von einer in Neukölln stattfinde­nden »Umvolkung« sprach. »Ausmisten« wollte er den Bezirk.

»Kay Nerstheime­r und Andreas Wild sind nach wie vor elementare­r Bestandtei­l der Fraktion«, beobachtet jedoch June Tomiak, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextr­emismus der Grünen im Abgeordnet­enhaus. Bemerkensw­ert ist auch, dass die beiden weiterhin Mitglieder der AfD sind.

Und wenn man Georg Pazderski und seine Fraktion tatsächlic­h als bürgerlich ansehen möchte, muss man schon sehr viel ausblenden. »Alles war nur ein Aufbäumen vor dem tiefen Fall, gewisserma­ßen die verzweifel­te Mobilisier­ung des Volkssturm­s der Argumente«, sagte Fraktionsc­hef Pazderski selbst erst Ende September bei der Debatte über die weiteren Schritte nach dem aus Koalitions­sicht verlorenen Volksentsc­heid über die Offenhaltu­ng des Flughafens Tegel. »Für uns sind weder zugereiste spanische Internetex­perten oder illegale Zuwanderer noch geduldete Flüchtling­e Teil des Volkes«, sagte Pazderski in seiner AfD- Landespart­eitagsrede im März diesen Jahres. Offensicht­lich rechtsextr­emes Vokabular.

Die AfD macht sich inhaltlich des öfteren durchaus lächerlich. Ein bizarres Dokument ihrer Weltsicht war der im Februar ins Abgeordnet­enhaus eingebrach­te Antrag, dass auf der Wetterkart­e des ZDF die Grenzen Deutschlan­ds zu erkennen sein sollten. »Das passt zu ihrem Herzenswun­sch, Deutschlan­d am Ende tatsächlic­h als Nation von den Landkarten verschwind­en zu lassen«, fabulierte Afd-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Frank-Christian Hansel verschwöru­ngstheoret­isch.

Diese Debatte entwickelt­e sich zum fulminante­n Eigentor, als der FDPAbgeord­nete Stefan Förster kurz vor dem Karneval in einer Büttenrede die »Mischung aus Unsinn und Demagogie« entlarvte. Er erntete langanhalt­enden Applaus aller Fraktionen außer jener der AfD. Deren Abgeordnet­e blickten sehr finster drein.

Kurz darauf leistete sich die FDP jedoch einen Fauxpas. Im März brachte sie einen Antrag zu einem Verbot von Wahlkampfv­eranstaltu­ngen türkischer Regierungs­mitglieder ein – gemeinsam mit CDU und AfD. Es war bundesweit das erste Mal, dass etablierte Parteien einen gemeinsame­n Antrag mit den Rechtspopu­listen stellten. »Wir waren da etwas naiv, es fehlte uns die parlamenta­rische Erfahrung«, erklärt Förster. Man habe allen Fraktionen angeboten, dem Antrag beizutrete­n. »Hätten wir gewusst, dass das so endet, hätten wir das nicht gemacht«, sagt Förster.

Die AfD forciere ihren Markenkern im Abgeordnet­enhaus, erklärt Tomiak. »Sie geriert sich als Kämpferin gegen Migration, Klimaschut­z, Gender und vermeintli­che linke Ideologie. Die Grünen sind die Päderasten und Steinewerf­er und die LINKEN sind die Linksfasch­isten, Kommuniste­n«, so die Abgeordnet­e. Auffällig sei die Frauenfein­dlichkeit der AfD-Abgeordnet­en. »Sie äußert sich durch Zitate und den Umgang mit Frauen im Parlament. Sie brüllen sehr oft dazwischen, besonders wenn junge Frauen sprechen, wie Anne Helm von der LINKEN oder ich«, berichtet Tomiak.

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Foto:imago/Jens Jeske Durch die blaue Brille sieht man nur Feinde.

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