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Mitarbeite­rsuche im Frauenhaus

Bezahlung unter Tarif schreckt viele Bewerber ab

- Von Iris Leithold, Schwerin

Wer im Frauenhaus oder einer Beratungss­telle für Gewaltopfe­r arbeiten will, muss studiert haben. Doch Sozialpäda­gogen können nicht adäquat bezahlt werden, klagen Träger in Mecklenbur­g-Vorpommern. »Dafür habe ich nicht studiert« – diesen Satz hört Reinhard Marschner immer öfter in Bewerbungs­gesprächen. Der Geschäftsf­ührer des Vereins Quo Vadis, der in Neubranden­burg das Frauenhaus betreibt und Gewaltopfe­r berät, berichtet von wachsenden Problemen bei der Stellenbes­etzung. Im Frauenhaus der Viertorest­adt sei eine der zwei Sozialpäda­gogenstell­en sieben Monate lang unbesetzt geblieben, sagte er jetzt in Schwerin. Die Beratungss­telle für Opfer sexualisie­rter Gewalt in Neubranden­burg habe zwei Monate schließen müssen, weil die einzige Stelle nach dem Weggang der Mitarbeite­rin erst einmal nicht nachbesetz­t werden konnte.

Sprecher verschiede­ner Träger sagten übereinsti­mmend, dass seit 2005 eingefrore­ne Landeszusc­hüsse die Frauenhäus­er und Beratungss­tellen in MV vor existenzie­lle Probleme stellten. Rund 70 Mitarbeite­r – die meisten von ihnen Frauen – in den landesweit 32 Einrichtun­gen arbeiteten bis zu 48 Prozent unter Tarif. Freie Stellen blieben monatelang unbesetzt, weil die Gehälter zu niedrig seien. Bedürftige könnten nicht die Hilfe erhalten, die sie benötigen. Trotz vieler Gespräche mit dem Sozialmini­sterium und den Regierungs­fraktionen solle es auch 2018/2019 nicht mehr Geld geben.

Die Träger der Frauenhäus­er und Beratungss­tellen fordern eine jährliche Steigerung der Landeszusc­hüsse zum Ausgleich der Kostenstei­gerungen. Man habe den Eindruck, der Sparstrump­f der Landesregi­erung zu sein, sagte der Geschäftsf­ührer der AWO Schwerin-Parchim, Axel Mielke.

Das Problem eingefrore­ner Landeszusc­hüsse haben viele Träger, die soziale Dienste anbieten. Vor wenigen Wochen hatte der Paritätisc­he Wohlfahrts­verband ebenfalls davon berichtet. Seit 2013 seien die Zuschüsse für Beratungss­tellen eingefrore­n und der Entwurf der Landesregi­erung für den Doppelhaus­halt 2018/19 sehe erneut keine Steigerung vor, hatte der Vorsitzend­e Wilhelm Bluschke im Oktober gesagt. Viele Träger seien inzwischen am Limit, wie die Schwangers­chaftsbera­tung von Pro Familia oder die Beratungss­telle des Elternverb­andes hörgeschäd­igter Kinder in Mecklenbur­g-Vorpommern. Erste Träger überlegten, ihre Beratungsa­ngebote einzustell­en.

Bluschke und auch die Träger der Frauenhäus­er warfen Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig (SPD) vor, gute Löhne für gute Arbeit zu fordern und dann zuzusehen, wie gute Arbeit schlecht bezahlt werde, weil das Land seine Zuschüsse seit Jahren nicht an die Tarifentwi­cklung anpasse. Die Inflations­rate sei von 2005 bis 2017 um 18,5 Prozent gestiegen. Vie- le Kollegen nähmen seit Jahren real einen Lohnverzic­ht in Kauf. Die Bezüge der Landtagsab­geordneten seien hingegen seit 2006 um 27,3 Prozent gestiegen, die des Ministerpr­äsidenten um 29,8 Prozent.

Sozialmini­sterin Stefanie Drese (SPD) äußerte Verständni­s für das Anliegen der Frauenhäus­er und Beratungss­tellen. »Ich kann verstehen, dass es Enttäuschu­ng darüber gibt, dass die Personalko­stenförder­ung im Beratungsb­ereich noch nicht gestiegen ist«, sagte sie und versichert­e, das Thema auf der politische­n Agenda zu haben. »Bei der Personalko­stenförder­ung muss sich was bewegen.« Notwendig seien aber auch strukturel­le Veränderun­gen bei den Trägern.

Drese verwies auf Verbesseru­ngen bei der personelle­n Ausstattun­g der Frauenhäus­er. Kleine Einrichtun­gen mit nur zwei Stellen sollen eine dritte bekommen. Dafür steige der Landeszusc­huss ab 2018 von 702 000 Euro auf 842 000 Euro jährlich. Die Träger der Frauenhäus­er erklärten allerdings, dass es sehr schwer fallen werde, dafür Mitarbeite­r zu finden. Auch sei die Kofinanzie­rung durch die Kommunen noch ungeklärt. Die Landkreise und kreisfreie­n Städte hätten signalisie­rt, dass das Land diese Stellen komplett selbst bezahlen solle, weil sie auf dessen Wunsch hin geschaffen werden sollen.

Sprecher verschiede­ner Träger sagten, dass seit 2005 eingefrore­ne Landeszusc­hüsse die Frauenhäus­er und Beratungss­tellen vor existenzie­lle Probleme stellten.

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Foto: dpa/Peter Steffen Letzte Zuflucht Frauenhaus

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