nd.DerTag

Maler mit »lebensläng­lich«

Woche der Knast-Kultur in Nordrhein-Westfalen

- Von Elke Silberer, Aachen

Kulturszen­e der anderen Art: Verurteilt­e Betrüger, Räuber oder auch Mörder machen Kunst und Kultur. Im Knast. In der landesweit­en Woche der Knastkultu­r öffnen sich die schweren Türen – für Besucher. Den verurteilt­en Mörder sieht man ihm nicht an. Beim Zusammentr­effen in dem winzigen »Atelier« im Aachener Gefängnis ist er Maler. Mit einem Pinsel trägt der Mann satt die Farbe auf die Leinwand auf. Er malt das weite Meer. Früher, als sein Leben noch in Ordnung war, hatte die Familie ein Häuschen an der Ostsee. Eigentlich liebt er den Wald. »Aber ich kann keine Bäume malen«, sagt der Mann in den 50ern. Draußen im Gefängnisf­lur hängen Bilder von ihm, für die Ausstellun­g im Rahmen der ersten landesweit­en Knast-Kulturwoch­e, die noch bis Freitag läuft.

Filigran gezeichnet­e Mystery-Szenen, ein verlassene­r Stuhl – auf dem Bild ausdruckss­tark in Szene gesetzt – sogar ein Papst-Porträt hängt für die Knastkultu­rwoche an der langen Flurwand. Dazwischen der »weinende Engel« des Malers, eine eigene Interpreta­tion von einem Tattoo. Ist er stolz, dass seine Arbeiten ausgestell­t sind? »Andere haben es besser drauf als ich. Ich bin ein Grobmotori­ker. Bei mir muss immer alles spätestens in zwei Tagen fertig sein«, sagt er. Fotografie­rt werden darf nur ein anderer Häftling beim Malen. Der Gesprächsp­artner selbst möchte nicht wieder mit einem Bild in den Zeitungen stehen – wie damals.

Viele seiner Bilder entstehen in der Zelle. Beim Malen geben die Gedanken in seinem Kopf endlich mal Ru- he. »Aber der Malkurs ist schon wichtig«, sagt er, das Sprechen über die Bilder, die Anregungen der anderen, die Anerkennun­g.

Für NRW-Justizmini­ster Peter Biesenbach (CDU) ist diese integrativ­e Kraft der Knastkultu­r ein wichtiger Aspekt: »Für viele ist es die erste Anerkennun­g ihrer Arbeit oder ihrer Persönlich­keit überhaupt.« Kunst vermittle ein Gefühl der Freiheit, sich auszudrück­en. Es ist eine Freiheit zwischen langen Fluren und schweren, abgeschlos­senen Eisentüren.

Die Knastkultu­r ist seit vielen Jahren landesweit als wesentlich­er Baustein der Resozialis­ierung etabliert. Resozialis­ierung fängt für die Leiterin der Aachener JVA, Reina Blikslager, bei der sinnvollen Freizeitge­staltung an. »Viele Straftaten entstehen ja auch schon aus schierer Langeweile.« In der Aachener Anstalt sitzen gut 740 verurteilt­e Straftäter ein, viele mit langen Haftstrafe­n.

Landesweit beteiligen sich an der Woche der NRW-Knastkultu­r 20 von 36 Justizvoll­zugsanstal­ten. Es gibt Ausstellun­gen mit Arbeiten aus Malund Fotokursen der Insassen. Sie machen Musik, es gibt Workshops, Kabarett und Lesungen. Dafür kommen auch Promis in den Knast – wie Musiker, Unternehme­r und Extremspor­tler Joey Kelly in Bielefeld-Senne.

In der Woche der Knastkultu­r gibt es Veranstalt­ungen, die Menschen von draußen besuchen können. In Castrop-Rauxel wollen Insassen und Externe gemeinsam musizieren. In der JVA Dortmund haben Gefangene und Bedienstet­e sieben Torbögen der Anstalt gestaltet, und wollen das Projekt der Öffentlich­keit vorstellen. Zuschauer von draußen dürfen auch ins Aachener Theaterstü­ck »Weck mich bitte auf aus diesem Alptraum«.

Probe. Schmucklos­er Saal, schlichte Bühne, neun Männer, Regisseuri­n Ingeborg Meyer: »Männer hört mir bitte zu! Geht bitte auf Anfang!«, sagt sie streng. Es sind Szenen eines Gefängnisa­lltags und Sätze wie diese: »Wir sind jeden Tag umgeben von lebendigen Toten.« Oder: »Ich will dem Leben ein Gelächter entlocken.« Es sind beeindruck­ende Szenen wie die von dem jungen Mann, der in den Besucherra­um geführt wird, voller Erwartung, die einer tiefen Traurigkei­t weicht – weil niemand kommt. Oder von einer Schlägerei, ausgelöst durch einen einzigen missversta­ndenen Satz. Ein Häftling schlichtet. Er beginnt zu singen, ein Lied aus seiner Heimat Tansania – weit weg von hier.

Es ist eine Freiheit zwischen langen Fluren und schweren, abgeschlos­senen Eisentüren.

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Fotos: dpa/Oliver Berg Häftlinge führen in der JVA Aachen ein Theaterstü­ck auf.
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Malender Gefängnisi­nsasse

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