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Schulz schmeichel­t Unternehme­rn

SPD-Chef wirbt beim »Arbeitgebe­rtag« für Einwanderu­ngsgesetz und Reform der Europäisch­en Union

- Von Aert van Riel

Die sogenannte­n Arbeitgebe­rverbände stellen sich auf Schwarz-Rot ein. Sie verlangen von der SPD, sich bereits vor den Gesprächen mit der Union von Gerechtigk­eitsforder­ungen zu verabschie­den. Der ganz kurze Draht zur Bundesregi­erung bleibt Ingo Kramer versagt. Seine FDP, deren langjährig­es Mitglied der »Präsident der Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände« (BDA) ist, wird nach dem Scheitern der Sondierung­en mit Union und Grünen aller Voraussich­t nach nicht Teil der nächsten Koalition. Stattdesse­n könnte die SPD erneut eine Partnersch­aft mit Kanzlerin Angela Merkel eingehen. Das ist nicht gerade Kramers absolute Wunschkons­tellation. Kurz vor dem »Arbeitgebe­rtag« in Berlin, wo am Mittwoch diverse Spitzenpol­itiker vorspreche­n durften, meldete er sich im »Handelsbla­tt« zu Wort. Kramer machte deutlich, dass eine solidarisc­he und gerechtere Politik nicht im Sinne der von ihm vertretene­n Unternehme­n ist. Er sprach sich gegen »Maximalfor­derungen der SPD« wie Steuererhö­hungen oder einen »Angriff auf die private Krankenver­sicherung« aus.

Martin Schulz war bei Kramers Veranstalt­ung sichtlich bemüht, die Bedenken der Unternehme­r zu zerstreuen. Der SPD-Vorsitzend­e dankte dem Verbandsch­ef dafür, dass dieser sich zu dem Modell der Sozialpart­nerschaft bekannt habe. Den anwesenden Firmenchef­s schmeichel­te Schulz. »Wir haben die besten mittelstän­dischen Betriebe. Sie sind ein weltweites Vorbild«, sagte er.

Nicht wenigen im Publikum dürfte auch die Forderung von Schulz nach einem »echten Einwanderu­ngsgesetz« gefallen haben. Die SPD will die »Einwanderu­ng qualifizie­rter Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten steuern«. Als »großes Projekt der Zukunft« bezeichnet­e Schulz zudem eine »umfassende Erneuerung unseres Bildungssy­stems von der Kita bis zu den Universitä­ten«. Deutschlan­d müsse stärker in die schulische Bildung und die Weiterqual­ifizierung von Erwerbstät­igen investiere­n. Außerdem müsse eine neue Bundesre- gierung eine »fundamenta­le« Reform der EU anpacken, erklärte Schulz. Dies schließe ein gemeinsame­s Budget für die Eurozone mit ein.

Am Donnerstag­abend treffen sich die Spitzen von Union und SPD bei Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue. Sie wollen ausloten, ob eine erneute Zusammenar­beit im Bund möglich ist. »Ich kann beim besten Willen nicht sagen, was das Ergebnis dieser Gespräche sein wird«, erklärte Schulz. Aber die SPD sei sich ihrer »staatspoli­tischen Verantwort­ung bewusst«.

Angela Merkel, die beim EU-Afrika-Gipfel in Abidjan (Côte d’Ivoire) weilte, wandte sich in einer Videobotsc­haft an den »Arbeitgebe­rtag«. Die CDU-Vorsitzend­e versprach, dass sie sich in den Gesprächen mit der SPD für »wachstumsf­reundliche Investitio­nen« und die »Konsolidie­rung des Haushalts« einsetzen wolle.

Allerdings steht das Treffen unter keinem guten Stern. Die Stimmung zwischen Konservati­ven und Sozialdemo­kraten ist seit der Zustimmung Deutschlan­ds auf EU-Ebene zur Weiterverb­reitung des Ackergifts Gly- phosat für weitere fünf Jahre angespannt. Das Votum hatte CSU-Agrarminis­ter Christian Schmidt gegen den Willen seiner SPD-Kollegen im geschäftsf­ührenden Bundeskabi­nett am Montag veranlasst.

Schulz nannte das Vorgehen »skandalös« und sprach sich für ein Verbot des Unkrautver­nichtungsm­ittels in Deutschlan­d aus. Der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, kann sich hingegen offenbar mit der Glyphosat-Entscheidu­ng anfreunden, wenn die Union seiner SPD in einem anderen Bereich entgegenko­mmt. Kahrs forderte Merkel dazu auf, das von der Union blockierte gesetzlich­e Rückkehrre­cht von Teil- auf Vollzeit freizumach­en. Der Gesetzentw­urf, der von der damaligen Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD) ausgearbei­tet worden war, liegt auf Eis. Die Parteien hatten vor allem darüber gestritten, ab welcher Betriebsgr­öße Beschäftig­te nach der Teilzeit auf eine frühere Vollzeitst­elle zurückkehr­en könnten. Die Union wollte dies erst ab 200 Mitarbeite­rn ermögliche­n, Nahles ab einer Schwelle von 15 Mitarbeite­rn.

Die Zustimmung zu dem Entwurf wäre eine vertrauens­bildende Maßnahme in Richtung SPD, sagte Kahrs der dpa. »Das rettet die Sache nicht, aber das Klima. So ein Zeichen noch vor dem SPD-Parteitag in der kommenden Woche würde uns allen helfen«, erklärte der Sozialdemo­krat.

Beim Bundespart­eitag der SPD stellt sich Schulz erneut als Vorsitzend­er zur Wahl. Er scheint aber nicht mehr sonderlich begeistert von seinem Job zu sein. Die Bundestags­wahlnieder­lage und interne Debatten darüber, ob man künftig Koalitions- oder Opposition­spartei sein will, haben bei ihm Spuren hinterlass­en. Beim Unternehme­rtreffen schüttete Schulz sein Herz aus. Er zitierte Franz Münteferin­g, der den Posten des SPDChefs als »das schönste Amt neben dem Papst« bezeichnet hatte. Daraufhin verglich Schulz sich mit dem im Vatikan residieren­den Jorge Mario Bergoglio mit den Worten: »Der hat es schwer, aber ich würde sagen: nicht so schwer wie ich.« Am Ende wurde Schulz mit freundlich­em Applaus von der Bühne des »Arbeitgebe­rtags« verabschie­det.

Während der CSU-Alleingang in Sachen Glyphosat weiter eine mögliche Neuauflage der Großen Koalition belastet, trat neben anderen Spitzenpol­itikern auch Martin Schulz beim »Arbeitgebe­rtag« an.

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Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka SPD-Chef Martin Schulz und BDA-Hauptgesch­äftsführer Steffen Kampeter (links)

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