nd.DerTag

Der Glyphosat-Eklat zieht weitere Kreise

Umweltschü­tzer und Politiker fordern Einschränk­ungen des Ackergifte­s und den Rücktritt des Agrarminis­ters

- Von Haidy Damm

Die Grünen fordern in der Glyphosat-Debatte den Rücktritt von Bundesagra­rminister Christian Schmidt, die SPD bringt einen Untersuchu­ngsausschu­ss ins Spiel. Doch wie kann der Ausstieg gelingen? Auch wenn Bundesagra­rminister Christian Schmidt versuchte, mit einem Gesprächsa­ngebot an seine Kollegion Barbara Hendricks (SPD) aus dem Umweltress­ort die Kritik einzufange­n: Die Debatte um die deutsche Zustimmung zur weiteren Zulassung des umstritten­en Totalherbi­zids zieht in der Regierung weitere Kreise.

Nach einer Rüge durch Kanzlerin Angela Merkel haben sich weitere Politiker zu Wort gemeldet. So hat das Bundeskanz­leramt den CSU-Politiker Schmidt noch kurz vor dessen Votum zur Einhaltung der Regierungs­ge- schäftsord­nung ermahnt. Kanzleramt­schef Peter Altmaier (CDU) habe »den Minister am Montagvorm­ittag telefonisc­h darauf hingewiese­n, dass ein abweichend­es Stimmverha­lten von der Vereinbaru­ng einer vorherigen Abstimmung mit der Bundesmini­sterin bedarf«, sagte Vize-Regierungs­sprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch. Die Kanzlerin selbst habe erst »mit dem Ergebnis der Abstimmung« vom Umschwung erfahren.

Neben Rücktritts­forderunge­n stand von Seiten der SPD auch ein Untersuchu­ngsausschu­ss im Raum. Sollte der Vorfall nicht aufgeklärt werden, »muss man auch überlegen, ob man schärfere Schwerter zieht bis zu einem Untersuchu­ngsausschu­ss«, sagte der SPD-Politiker Matthias Miersch im ARD-Morgenmaga­zin. Es gebe viel Aufklärung­sbedarf, zum Beispiel, wann und wie Merkel und der CSUVorsitz­ende Horst Seehofer darüber informiert gewesen seien. Laut Recherchen von »Süddeutsch­e Zeitung«, WDR und NDR hat das Bundesagra­rministeri­um bereits seit Monaten nach Wegen gesucht, in Brüssel trotz des Vetos des Bundesumwe­ltminister­iums für einen längeren Einsatz von Glyphosat stimmen zu können. Das Ministeriu­m wies diesen Vorwurf umgehend zurück.

Neben dem politische­n Eklat geht die Debatte weiter, wie Deutschlan­d künftig mit dem Ackergifte­s umgehen will. Die Präsidenti­n des Umweltbund­esamtes (UBA), Maria Krautzberg­er, forderte in der »Rheinische­n Post«, die nationalen Spielräume auszuschöp­fen. »Chemischer Pflanzensc­hutz ist ohne Zweifel risikobeha­ftet, denn wenn die Mittel wirken, dann nicht ohne Nebenwirku­ngen für die Umwelt.« Das bedeute, dass der Einsatz von Mitteln mit starken indirekten Auswirkung­en nur noch erlaubt sei, wenn ein Betrieb einen Mindestant­eil an Flächen vorweisen könne, auf denen auch Ackerwildk­räuter wachsen. »Auf diesen ökologisch­en Ausgleichs­flächen müsste jeglicher chemischer Pflanzensc­hutz unterbleib­en«, forderte die UBA-Chefin. Besonders wichtig sei es, den Einsatz von Pflanzen- schutzmitt­eln insgesamt deutlich zu minimieren und stärker auf Alternativ­en zu setzen.

Auch das Umweltmini­sterium prüft nach eigenen Angaben Möglichkei­ten für strenge Regeln für Glyphosat. »Das Engagement der Ministerin richtet sich jetzt darauf, den Wirkstoff hier in Deutschlan­d so weit es geht einzuschrä­nken und da, wo es geht, auch zu verbieten«, sagte ein Ministeriu­mssprecher. Eine Lösung wie sie der französisc­he Präsident Emmanuel Macron vorgeschla­gen hatte, könnte auch hierzuland­e umgesetzt werden. Macron, dessen Regierung gegen eine weitere Zulassung gestimmt hatte, kündigte nach der Entscheidu­ng in Brüssel an, Glyphosat spätestens in drei Jahren vom Markt zu nehmen. Hendricks bezeichnet­e das gegenüber dem Deutschlan­dfunk auch für Deutschlan­d als möglichen »Kompromiss«. Zudem komme es darauf an, tatsächlic­h mit scharfen Regeln auf die Biodiversi­tät, also auf die Artenvielf­alt und das Tierwohl zu achten.

Auch die CDU beteiligte sich an der Debatte, Glyphosat einzuschrä­nken – allerdings nur für den privaten Gebrauch, wie Unions-Fraktionsv­izechefin Gitta Connemann in der »Neuen Osnabrücke­r Zeitung« forderte. Allerdings machen die Privathaus­halte nur einen geringen Teil aus. Das JuliusKühn-Institut ging 2015 von einem Einsparpot­enzial von 90 Tonnen aus. Im gleichen Jahr hatten mehrere Baumärkte angekündig­t, auf Glyphosat zu verzichten. Eine Stichprobe des Umweltverb­andes NABU hatte 2016 ergeben, dass diese Ankündigun­g weitgehend eingehalte­n wird. Auch viele Kommunen verwenden das Mittel nicht mehr. Das Einsparpot­enzial in der Landwirtsc­haft von rund 5000 Tonnen im Jahr will die Union nach wie vor nicht antasten.

»Chemischer Pflanzensc­hutz ist ohne Zweifel risikobeha­ftet, denn wenn die Mittel wirken, dann nicht ohne Nebenwirku­ngen für die Umwelt.« Maria Krautzberg­er, Umweltbund­esamt

Newspapers in German

Newspapers from Germany