nd.DerTag

Die gute EU und der Professor Macron

Frankreich­s Präsident und den EU-Staatschef­s wird von Afrikas Bevölkerun­g viel Skepsis entgegenge­bracht

- Von Odile Jolys, Dakar

Das Thema Migration dominiert den 5. EU-Afrika-Gipfel in Abidjan, Côte d’Ivoire. Dabei ist das Ziel, die Bewegung Richtung Europa soweit wie möglich zu begrenzen. Die Europäisch­e Union entfaltet auf dem afrikanisc­hen Kontinent eine Charmeoffe­nsive. Vor dem seit Mittwoch laufenden EU-Afrika-Gipfel in Abidjan kommunizie­rte die EU wie schon lange nicht mehr. In Senegal zogen ihre Repräsenta­nten von Dorf zu Dorf, um die Jugendlich­en über ihre Projekte zu informiere­n. Ziel: sie von der Migration abzuhalten.

In vielen Zeitungen Afrikas fand sich eine ganzseitig­e gemeinsame Erklärung von Jean-Claude Junker, dem Vorsitzend­en der Europäisch­en Kommission und von Moussa Faki, Vorsitzend­er der AU-Kommission, in der die Zusammenar­beit und die gemeinsame Zukunft gelobt und betont werden. Darin prahlt die EU mit 31 Milliarden Euro Entwicklun­gshilfe bis 2020, »um der Jugend Afrikas eine Chance zu geben.« Darunter der Treuhandfo­nds der EU, der in ausgewählt­en Ländern, dort wo die Abwanderun­g am größten ist, Geld für die berufliche Ausbildung und für kleine und mittlere Unternehme­r ausgeben soll. Und natürlich für die Sicherung der Grenzen, was aber mit keinem Wort erwähnt wird.

Was die AU macht oder will, erfährt man nicht. So funktionie­rt die Zusammenar­beit. Die EU gibt Geld, die afrikanisc­hen Staaten sollen dafür die illegalen Migranten zurücknehm­en, was sie machen – leise – weil »sie unfähig sind, einem Großteil ihre Jugend die Bedingunge­n für ein würdiges Leben auf dem Kontinent zu bieten«, wie Felwine Sarr und Achille Mbembe, zwei der bekanntest­en afrikanisc­hen Intellektu­ellen, gerade in »Le Monde« schrieben.

Aly Tandian, Direktor der Migrations­forschungs­gruppe (GERM) der Universitä­t Saint-Louis in Senegal, wendet sich mittels eines Appells an die EU und AU. Für ihn ist Migration eine Win-win-Situation und muss organisier­t werden. Er plädiert dafür, dass ein Rahmen geschaffen wird, damit alle Akteure auch die Zivilgesel­lschaft mit über die Migrations­politik entscheide­n können. Gegenüber »nd« sagt er, »die EU ist in ihrer Rolle: Sie will ihre Interesse verteidige­n, ihre Grenzen dicht machen. Die afrikanisc­hen Staaten haben hingegen keinerlei Strategie.«

Der EU/AU Gipfel fällt mit einer Afrikareis­e von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron zusammen. Fast drei Stunden hat der französisc­he Präsident Macron am Dienstag vor rund 800 Studenten an der Universitä­t in Ouagadougo­u, Burkina Faso, gesprochen. Der Adressat war wiederum die Jugend Afrikas. Anders als sonst wurde Macron nicht von bestellten Jublern, sondern von Demonstran­ten der Studenteng­ewerkschaf­t und der Demokratis­chen Jugendorga­nisation (ODJ) erwartet, die gegen den Besuch demonstrie­rten, aber mittels Tränengas vertrieben wurden.

Bezeichnen­d ist die Haltung der engagierte­n Jugendlich­en. Auf seiner Homepage, schrieb Serge Bambara, Sprecher der Balai citoyen über die Erwartung an Macron lediglich davon, »dass wir wünschen, dass Frankreich aufhört, afrikanisc­he Diktatoren zu unterstütz­en.« Hamidou Anne, politische­r Blogger in Senegal meinte gegenüber »nd«: »Was ich von Macron erwarte? Nichts. Ich erwarte etwas von den Leuten, die ich gewählt habe, nichts von einem ausländisc­hen Präsidente­n.«

In seiner Rede sprach Macron von Migration, Kampf gegen den Terrorismu­s und Obskuranti­smus, Demographi­e und Umwelt. Er redete über Bildung, die Gleichheit der Frauen, versprach die Rückgabe von Kulturgüte­r, mehr Visa für Studenten und verlängert­e Aufenthalt­srechte für diese. Er versuchte die neuen französisc­h-afrikanisc­hen Beziehunge­n mit Schockform­eln zu betonen. Frankreich hätte keine Afrika-Politik mehr, er sei nicht da um Lektionen zu erteilen. Dafür bekam er viel Applaus.

Für Hamidou Anne war es ein Déjà-vu. »Er ist nicht der erste Präsident Frankreich­s, der von einem neuen Anfang spricht.« Sein entspannte­r Stil und das ziemlich freie Frage-Ant- wort-Spiel mit den Studenten war neu, sonst gab es im Wesentlich­en nichts Neues. Ouiry Sanou, Koordinate­ur bei ODJ, war nicht überzeugt. Was die Öffnung der Archive zu Thomas Sankara, der ermordete Präsident und Idol der Jugend, anbelangt, müsse man abwarten. Über den F CFA habe er »mit Arroganz und Verachtung gesprochen«. Er sagte, dass es an den afrikanisc­hen Staatsmänn­er sei, die Währung, wenn sie dies wünschen, zu verlassen. »Aber genau das sei das Problem. Macron unterstütz­t sie und sie machen einfach weiter.«

Burkinas Präsident Kaboré hat die Rede nicht kommentier­t. Alpha Condé, Präsident Guineas und amtierende­r AU-Chef, war zufrieden mit der Rede. Gegenüber RFI sagte er »die Nabelschnu­r ist durchschni­tten.«

Bertrand Badie, Politikwis­senschaftl­er in Paris, meinte gegenüber »nd«, »eine Bemühung« Macrons, die Beziehunge­n neu aufzubauen, festgestel­lt zu haben. »Aber im Kern blieb er einer klassische­n Sicherheit­svision verbunden, die sich nicht den »wahren Ursachen der Gewalt in Afrika« zuwendet. Das ist auch nicht vom EU-Afrika-Gipfel zu erwarten, der noch bis Donnerstag in Côte d’Ivoire läuft.

 ?? Foto: AFP/Ludovic Marin ?? In Burkina Faso weihte Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron auch eine kleine Solarenerg­iefabrik ein – neben seiner großen Rede.
Foto: AFP/Ludovic Marin In Burkina Faso weihte Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron auch eine kleine Solarenerg­iefabrik ein – neben seiner großen Rede.

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