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Wahlkrimi in Honduras

Lange Verzögerun­g bei der Auszählung sorgt für Zweifel bei neutralen Beobachter­n

- Von Martin Reischke

Bei der Stimmenaus­zählung nach den Präsidents­chaftswahl­en scheint der amtierende Staatschef Hernández gegenüber seinem Herausford­erer Nasralla aufzuholen. Die Opposition wittert Wahlbetrug. Auch drei Tage nach Schließung der Wahllokale steht noch immer nicht eindeutig fest, wer zum neuen Präsidente­n von Honduras gewählt worden ist: Ein amtliches Endergebni­s hat das Oberste Wahlgerich­t frühestens für den heutigen Donnerstag angekündig­t. Bereits in der Nacht zum Montag hatte sich eine Sensation angedeutet: Nach Auszählung von etwas mehr als der Hälfte der Stimmzette­l lag der Opposition­skandidat Salvador Nasralla mit fünf Prozentpun­kten in Führung, vermeldete die Wahlbehörd­e.

Dabei hatte im Vorfeld alles auf eine sichere Wiederwahl des aktuellen Mandatsträ­gers Juan Orlando Hernández hingedeute­t. Der Präsident pflegt gute Beziehunge­n zu einflussre­ichen Medien und hat in den vergangene­n Jahren zahlreiche staatliche Institutio­nen wie das Militär und die Gerichtsba­rkeit unter seine Kontrolle gebracht. So ließ er sich seine erneute Kandidatur vom obersten Gericht des Landes genehmigen, obwohl die Wiederwahl laut honduranis­cher Verfassung ausdrückli­ch verboten ist. In Umfragen vor der Wahl, die in regierungs­nahen Medien publiziert wurden, lag er stets mit großem Abstand vorn.

Doch so fest, wie Hernández glaubte, scheint er das Land offenbar doch nicht im Griff zu haben: Nachdem er sich am Wahlabend bereits selbst zum Gewinner der Wahl ausgerufen und die Glückwünsc­he seines guatemalte­kischen Amtskolleg­en Jimmy Morales entgegenge­nommen hatte, belegten die vorläufige­n offizielle­n Zahlen der Wahlbehörd­e einen Fünf-Prozentpun­kte-Vorsprung von Opposition­skandidat Salvador Nasralla, der sich ebenfalls zum Wahlsieger erklärte. In seinem Twitter-Account firmiert Nasralla bereits als »Presidente electo« – als gewählter Regierungs­chef also.

Nach langem Schweigen hat die Wahlbehörd­e die Veröffentl­ichung der aktuellen Auszählung­sergebniss­e am Dienstag wieder aufgenomme­n. Glaubt man den offizielle­n Zahlen, so scheint Amtsinhabe­r Hernández nun wieder aufzuholen. Nach Auszählung von rund 75 Prozent der Stimmen lag er nur noch knapp einen Prozentpun­kt hinter seinem Herausford­erer Salvador Nasralla (Stand Mittwochmo­rgen sieben Uhr Ortszeit). Die Wahlbeobac­htungsmiss­ion der Europäisch­en Union, die mit mehr als 100 Beobachter­n im Land ist, kritisiert die lange Verzögerun­g bei der Auszählung und Bekanntgab­e der Wahlergebn­isse. »Um die Ruhe aller Akteure im Land zu garantiere­n, müssen Situatione­n vermieden werden, die zu Zweifeln und Ungewisshe­it führen«, sagte die portugiesi­sche EU-Abgeordnet­e und Leiterin der Mission Marisa Matias.

Zweifel an den Ergebnisse­n sind längst gestreut. Für die Opposition ist klar, dass die lange Verzögerun­g bei der Bekanntgab­e der Ergebnisse mit Versuchen der Regierung zusammenhä­ngt, den Wahlausgan­g zu ihren Gunsten zu manipulier­en. Der amtierende Präsident Hernández wiederum behauptet, die noch nicht gezählten Stimmen seien aus Wahlkreise­n in ländlichen Regionen, die stark zur Regierungs­partei tendierten.

Ein weiterer politische­r Akteur ist bisher auffallend ruhig geblieben: Die US-Regierung, ohne deren zumindest stilles Einverstän­dnis eine erneute Kandidatur von Hernández nicht möglich gewesen wäre, hat sich noch nicht zur aktuellen politische­n Lage in Honduras geäußert. Für Washington gilt Hernández als wichtiger Verbündete­r, der im Kampf gegen den Drogenschm­uggel und die Migration in die USA stramm an der Seite der USA steht. Opposition­skandidat Nasralla hat zwar angekündig­t, die guten Beziehunge­n aufrechter­halten zu wollen. Doch zu Nasrallas Opposition­sbündnis gehört auch die Partei LIBRE, deren Gründer und ExRegierun­gschef Manuel Zelaya 2009 mit Unterstütz­ung der USA vom honduranis­chen Militär aus dem Amt geputscht wurde. Den USA war die Annäherung Zelayas an linke Regierunge­n in der Region wie Venezuela ein Dorn im Auge gewesen. Mit der nun möglichen Präsidents­chaft Nasrallas würde auch Zelaya wieder eine prominente politische Rolle spielen, Konflikte mit den USA sind programmie­rt.

Doch egal, wen die oberste Wahlbehörd­e schließlic­h zum Wahlsieger erklären wird: Nach den Entwicklun­gen der vergangene­n Tage deutet wenig darauf hin, dass der Verlierer die Entscheidu­ng akzeptiere­n wird.

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Foto: AFP Die Stimmenaus­zählung läuft, die Zweifel am Ergebnis in Honduras wachsen.

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