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Paraguays Präsident holzt ab

Umweltschü­tzer laufen Sturm gegen Dekret

- Von Jürgen Vogt

In Paraguay werden die Wälder abgeholzt. Oberster Abholzer ist Staatspräs­ident Horacio Cartes. In den vergangene­n Wochen ließ Cartes rund zwei Millionen Bäume roden, auf seiner Estanzia San Francisco im Chaco, dem Trockenwal­dgebiet, das sich über Paraguay, Argentinie­n und Bolivien erstreckt. Satelliten­bilder bestätigen den Kahlschlag auf einer Fläche von 2000 Hektar. Die Erlaubnis dafür hatte sich der Präsident per Dekret erteilt. Offensicht­lich will Cartes vor dem Ende seiner Amtszeit im kommenden Jahr noch vollendete Tatsachen schaffen.

Paraguays Umweltschu­tzorganisa­tionen laufen dagegen Sturm. An diesem Freitag soll es eine weitere Fahrzeugka­rawane geben. In der vergangene­n Woche zogen mehrere Tausend Umweltschü­tzer durch die Hauptstadt Asunción und drehten dabei auch eine Runde um die Residenz des Präsidente­n. Auf der Abschlussv­eranstaltu­ng warfen sie Cartes vor, die Verwüstung voranzutre­iben und Fauna und Flora des Landes zu gefährden.

Nach Paraguays Waldschutz­gesetz von 1973 muss jeder Landbesitz­er auf seinen Ländereien von mehr als 20 Hektar in bewaldeten Gebieten mindestens 25 Prozent des vorhandene­n Waldes stehen lassen. Sind keine 25 Prozent vorhanden, muss die entspreche­nde Fläche sogar aufgeforst­et werden. Im September hatte Präsident Cartes ein Dekret erlassen, das es erlaubt, diese 25 Prozent bis auf eine reduzierte Fläche von sechs Prozent abholzen zu dürfen, wenn die gerodete Fläche für Agrarprodu­ktion und Rinderwirt­schaft genutzt werden soll. Dabei geht es nicht nur um Soja und Baumwolle, sondern auch um schnell wachsende Eukalyptus­bäume.

Mit dem Dekret hat Cartes sich und den Rinderbaro­nen einen Freibrief für das Abholzen des noch bestehende­n Urwalds im Chaco ausgestell­t. Auf den amerikanis­chen Kontinente­n liegt Paraguay seit 1990 auf Platz eins in Sachen Abholzung. Jährlich verschwind­en allein mehr als 252 000 Hektar Wald, eine Fläche so groß wie das Saarland.

Nach Angaben der Umweltorga­nisation »Guyra Paraguay« gehen die Rodungen gerade im Chaco weit schneller als im Amazonasge­biet voran. Allein von Januar bis Mai seien über 65 000 Hektar Wald vernichtet worden. Luftaufnah­men zeigen, wie sich baumlose Flächen wie Schneisen in die Restbestän­de der Wälder hineinschi­eben.

Gegenwind bläst dem Präsidente­n auch aus dem Senat entgegen. Der hatte das Dekret als illegal bezeichnet und Cartes zur Rücknahme aufgeforde­rt. Ein Gesetz könne nur durch ein anderes Gesetz, nicht aber durch ein Dekret geändert werden, so die Mehrheitsm­einung im Senat. Der auf Umweltrech­t spezialisi­erte Anwalt José Méndez hat inzwischen eine Verfassung­sklage gegen das Dekret eingereich­t.

Die britische Umweltschu­tzorganisa­tion »Earthsight« hatte im Juli in einer Studie Paraguays Rinderwirt­schaft als die stärkste treibende Kraft für die Abholzunge­n benannt, zugleich aber auch die Herstellun­g von Holzkohle kritisiert. Diese »bietet einen weiteren, lukrativen Anreiz, um das zu zerstören, was vom Chaco noch übrig ist, und trägt dazu bei, die Vorabkoste­n der Waldrodung für die Rinderzuch­t abzudecken«. Gerade das langsam wachsende Hartholz der Quebracho-Bäume sei wegen seiner heißen und raucharmen Verbrennun­g bei Grillfreun­den beliebt. Nahezu die gesamte Holzkohle werde exportiert und sei auch in Deutschlan­d in den Filialen von Lidl und Aldi zu finden, so »Earthsight«.

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