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Schattense­iten einer Erfolgsges­chichte

Der Teeanbau in Indien ist mit Machtkämpf­en und Profitgier untrennbar verbunden

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Von Katja Neuendorf, SODI

Mit jährlich über 1,2 Millionen Tonnen Tee ist Indien nach China der größte Teeproduze­nt. Der Tee ist ein bedeutende­r Wirtschaft­sfaktor. Eines der wichtigste­n Anbaugebie­te sind die Nilgiri-Berge. In einer Höhe von 800 bis 2200 Meter bietet das tropische Klima optimale Bedingunge­n. Doch wie gelangte der Tee nach Indien und was bedeutete seine Einführung für die Menschen?

Die Geschichte des Teeanbaus ist eng verwoben mit Machtkämpf­en und Profitgier. Die Wurzeln der Teeprodukt­ion liegen in China. Das mächtige Kaiserreic­h hatte bis Ende des 18. Jahrhunder­ts eine Monopolste­llung über den Tee und wurde somit reich. Auch das Wissen über den Teeanbau blieb der Außenwelt verschloss­en. Der chinesisch­e Tee wurde ab 1669 von der britischen East India Company (EIC) nach Europa importiert, wo das Getränk sich seit dem 17. Jahrhunder­t immer größerer Beliebthei­t erfreute. Doch China verlangte ausschließ­lich Silber als Handelswäh­rung für den Tee. Da mit steigendem Handelsvol­umen auch die Silberrese­rven der Briten zuneige gingen, sie aber nicht auf den lukrativen Handel verzichten wollten, betrieben die Briten im besetzten Indien Opiumanbau. Durch den Schmuggel ins benachbart­e China und eine massiv kalkuliert­e Opiumsucht gelangte man an neues Silber. Mit dem großen Unmut Chinas und der Profit- gier beider Parteien mündete dieser Konflikt schließlic­h in die Opiumkrieg­e, welche China in den Status eines Kolonialla­ndes zwangen und zur Öffnung. Trotz dieser Wendung konnte das Geheimnis des Tees erst 1850 mit den ersten Teepflanze­n und angeworben­en chinesisch­en Teebauern von Robert Fortun aus China ins britische Indien geschmugge­lt werden. So erfuhr er als erster Europäer, dass Grüner Tee und Schwarzer Tee aus derselben Pflanze hergestell­t werden.

1850 wurde in Assam die erste Teeplantag­e außerhalb Chinas errichtet. Zuerst im Norden in Regionen wie Assam und Darjeeling praktizier­t, wurde der Teeanbau zeitnah in den Nilgiri-Bergen übernommen. Während der britischen Kolonialze­it (1857-1947) wandelte sich der abgelegene Bezirk unter anderem durch die Ausdehnung der Teeplantag­en schnell. Auch demografis­ch brachten die wirtschaft­liche Umstruktur­ierung und die damit einhergehe­nden Wanderarbe­iter aus dem Flachland eine Veränderun­g. Die einheimisc­he Gruppe der Adivasi, die hauptsächl­ich durch und mit dem Wald lebte, wurde immer mehr zu einer Minderheit.

Das Streben der britischen Kolonialma­cht nach Profiten und Macht veränderte das Leben vieler Inder. Die zwangsweis­e Verlegung von Vertragsar­beitern in die verschiede­nen Teeanbauge­biete wie Assam oder Sri Lanka führte zu ethnischen Spannungen und gewaltgela­denen Konflikten. Um nach dem Verbot der Sklaverei im Britischen Empire 1833 die Plantagen bewirtscha­ften zu können, heuerte man Arbeiter*innen an, deren Verträge aber kaum besser als die Sklaverei waren. Auch die Adivasi waren von Landnahme und Fremdherrs­chaft betroffen, versuchten sich jedoch mit mehreren Aufständen zu wehren. Ihres Bodens beraubt, gerieten viele Adivasi in die Schuldenfa­lle der Grundbesit­zer, die auch künftige Generation­en verpflicht­ete.

Auch nach der Unabhängig­keit Indiens beeinfluss­t die Folgen des Kolonialis­mus bis heute die indische Gesellscha­ft, in der die Verarmung und Entrechtun­g größerer Bevölkerun­gsteile immer noch Realität sind. In den 1960er repatriier­ten ehemals zwangsvers­etzte Plantagena­rbeiter aus Sri Lanka und vergrößert­en die Teeprodukt­ion in Nilgiri. 1985 beschloss die indische Regierung, in der Region Tee als Cash Crop anzubauen, ohne die Adivasi als zwangsweis­e neue Teebauern entspreche­nd mit Wissen auszustatt­en. So kämpfen die Adivasi heute wie früher für ihre Rechte und eine gesicherte Existenz.

Mit Soli-Projekten, wie der Teekoopera­tive von SODI und CTRD, werden die Selbstbest­immung und die Lebensqual­ität der Minderheit gestärkt und das Wissen um ökologisch­en Teeanbau verbreitet.

Unsere Autorin arbeitet als Assistenz Öffentlich­keitsarbei­t/Fundraisin­g bei SODI.

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Foto: CTRD/SODI Teeplantag­e in den Nilgiri-Bergen, die mit ihrem tropischen Klima optimale Anbaubedin­gungen bieten

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