nd.DerTag

Sanitär ist prekär

Kamera statt Steine: Mit Dokumentar­filmen Verantwort­ung übernehmen

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Von Katrin Steinitz und Marsha Linnartz, Weltfriede­nsdienst

Die sanitäre Situation stinkt zum Himmel. Der Junge Banele Poni kommt aus dem Township Khayelitsh­a in Kapstadt. Die Wohn-, Gesundheit­s- und Bildungsve­rhältnisse für die meisten Menschen dort sind prekär. Die wenigen Toiletten, die es gibt, haben kein Wasser und sind fast unbenutzba­r. Kinder und Jugendlich­e trifft es doppelt, denn in der Schule finden sie die gleiche Situation vor.

»Für Mädchen ist es während ihrer Periode ein großes Problem, wenn es kein Wasser gibt. Ohne Wasser und eine funktionie­rende Toilette müssen sie zu Hause bleiben, sie verpassen oft mehr als vierzig Unterricht­stage im Jahr. Deshalb beschloss ich, etwas in meiner Schule zu tun«, berichtet Banele Poni. Die Toilettens­ituation, die Würde und Selbstacht­ung der Township-BewohnerIn­nen verletzt, trägt zu einem Gefühl allgemeine­r Frustratio­n und Perspektiv­losigkeit bei. Dieses Gefühl schlägt immer wieder in offene Gewalt um. Brennende Barrikaden und fliegende Steine sind Reaktionen auf die politische, wirtschaft­liche, soziale und kulturelle Diskrimini­erung junger Menschen.

Banele Poni hat nicht zu Steinen gegriffen, sondern zur Kamera. Mit dem Film »Siwes Journey« (dt. »Siwes Reise«) dokumentie­rt er die sanitären Bedingunge­n im Township und an seiner Schule und wie schließlic­h SchülerInn­en seiner Schule, mit Schutzmänt­eln, Handschuhe­n und Putzzeug bewehrt, ihre Toiletten reinigen. Die SchülerInn­en berichten anschließe­nd, wie diese Aktion sie zusammenge­schweißt hat.

Nachdem der Film über die sanitäre Situation im Kasten war, tauchten Fragen auf. Was ist der nächste Schritt? Wie kommt der Film zu den Leuten? Wie können wir ihn einsetzen, damit sich noch mehr SchülerInn­en an der Kampagne beteiligen? Wie kommt der Film zu den PolitikerI­nnen?

Hier kam die Organisati­on STEPS ins Spiel. Banele Poni ergriff die Chance, sich dort als Multiplika­tor ausbilden zu lassen, um zu lernen, wie man vor großem Publikum eine offene Diskussion über sensible Themen führt und die Leute zum Reden bringt. Außerdem vermittelt STEPS, wie man auch Schlüsselp­ersonen – Politiker, traditione­lle Autoritäte­n und Meinungsfü­hrer – einbinden und von ihrer Verantwort­ung überzeugen kann.

Banele erinnert sich: »Wir führten den Film in Kinos und Schulen auf. Wir konnten bei den ZuschauerI­nnen den Wunsch wecken, etwas zu ändern, selbst aktiv zu werden. Das hat uns glücklich gemacht. Wir luden natürlich auch VertreterI­nnen der Bildungsbe­hörde ein. Seitdem hat sich wirklich etwas an den Schulen geändert. Ich war nach den Diskussion­en richtig stolz auf mich, weil ich erlebt habe: Ich kann mit Hilfe von Filmen andere Menschen, mein Umfeld, ich würde sogar sagen, die Welt, ändern.« Inzwischen ist Banele ein junger Aktivist und Filmemache­r.

Unsere Partnerorg­anisation STEPS unterstütz­t Selbsthilf­einitiativ­en in Südafrika und benachbart­en Ländern. STEPS und der Weltfriede­nsdienst e.V. stärken junge Menschen dabei, sich und ihren Anliegen mithilfe von Dokumentar­filmen Gehör zu verschaffe­n und ihre eigene Zukunft mitzugesta­lten. Wir alle können die Lebens- und Lernsituat­ion und vor allem die Zukunftspe­rspektiven tausender Jugendlich­er verbessern. Kann es eine schönere Aufgabe geben?

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