Die Strafverfolgung geht weiter
Den Haag. Das UN-Kriegsverbrechertribunal zum früheren Jugoslawien (ICTY) war 1993 vom Weltsicherheitsrat eingerichtet worden. Es sollte Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord in den Balkankriegen in den 1990er Jahren strafrechtlich verfolgen. 161 Personen wurden angeklagt, 90 wurden in Den Haag verurteilt. Es gab 19 Freisprüche. Die übrigen Verfahren wurden eingestellt oder anderen Gerichten übertragen. Am 31. Dezember 2017 wird die Arbeit des Tribunals in Den Haag offiziell beendet. Die noch verbleibenden Verfahren werden vom sogenannten Residualmechanismus für Internationale Straftribunale (MICT), ebenfalls in Den Haag, übernommen. Dazu gehö- ren auch die Berufungsverfahren des Ex-Serbenführers Radovan Karadžić und des zu lebenslanger Haft verurteilten Ex-Generals Ratko Mladić. Das MICT wickelt auch die restlichen Prozesse des früheren UN-Tribunals zu Verbrechen in Ruanda ab.
Die Schließung des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag bedeutet laut Chefankläger Serge Brammertz nicht das Ende der Strafverfolgung wegen Verbrechen während der Jugoslawienkriege. Nach den letzten Urteilen des Internationalen Strafgerichtshofs sind für den Belgier die Konflikte juristisch noch lange nicht aufgearbeitet. Alleine in Bosnien gebe es noch 3000 Verfahren, die geführt werden müssten. »Ein Kapitel geht zu Ende, aber die Strafverfolgung wird noch viele Jahre weitergehen«, sagte der Ankläger. Auch rund ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Krieges in Jugoslawien sind die Wunden nach Ansicht des scheidenden Chefanklägers noch nicht verheilt. Laut Brammertz’ hat sich die Situation in den vergangenen Jahren sogar wieder verschlechtert: »Die Art und Weise, wie verurteilte Kriegsverbrecher als Helden betrachtet werden, ist eine sehr, sehr bedauerliche Entwicklung, die wir in Serbien sehen, aber auch in den anderen Teilen des ehemaligen Jugoslawien.« So sei ein serbischer General, der für ethnische Säuberungen im Kosovo verurteilt wurde, nach seiner Haftstrafe mit allen Ehren in einer serbischen Militärakademie empfangen worden.