nd.DerTag

Umzug in eine »triste Wüste«

Wie RWE Umsiedler über den Tisch zieht

- Markus Dufner

Wegen des Abbaus von Braunkohle wurden im Rheinland seit Mitte der 1950er Jahre etwa 40 000 Menschen vertrieben, rund 50 Dörfer verschwand­en. Die RWE AG, die die riesigen Tagebaue Garzweiler und Hambach betreibt, spricht von »gemeinsame­r Umsiedlung«, die Betroffene­n hingegen von Zwangsumsi­edlung.

Tatsächlic­h nehmen sich die Umsiedlung­sspezialis­ten des Konzerns jeden Fall einzeln vor. So werden die Dorfbewohn­er auseinande­rdividiert. Wer mit RWE einen Vertrag unterzeich­net, verpflicht­et sich gegenüber Dritten zu Stillschwe­igen. In ihren Grundsätze­n zur Umsiedlung geht es RWE angeblich um »faire Entschädig­ungen für den in Anspruch genommenen materielle­n Besitz, wie Wohnhäuser, Grundstück­e und Betriebe« der Betroffene­n als »Grundlage für einen wirtschaft­lich unbeschade­ten Neubeginn«. Ebenso wichtig sind dem Kohlekonze­rn demnach auch »immateriel­le Werte, wie Tradition, Gemeinscha­ft und Heimat, die mit Geld nicht entschädig­t werden können«. Ziel sei es, »Belastunge­n für den Einzelnen und für die einzelne Familie dadurch abzufedern, dass der Erhalt der Dorfgemein­schaft ermöglicht und die Umsiedlung im Miteinande­r bewältigt werden«.

Viele Umsiedler fühlen sich von RWE aber über den Tisch gezogen und von ihrer Stadtverwa­ltung im Stich gelassen. Dies wurde kürzlich bei einer Bürgerfrag­estunde in Erkelenz-Keyenberg deutlich. Obwohl der Kunstort »Keyenberg-neu« am Reißbrett geplant wurde, liegen drei von vier Grundstück­en teilweise bis zu einen Meter tiefer als das Straßenniv­eau. Darauf habe sie niemand hingewiese­n, beschwerte­n sich Betroffene. RWE ist bisher nicht bereit, die erhebliche­n Mehrkosten zu übernehmen, die durch Aufschüttu­ngen und Stabilisie­rungsmauer­n entstehen. Standardan­twort des Konzerns: »Der Grundstück­swert am neuen Ort ist identisch mit dem am alten.«

Groß ist die Enttäuschu­ng der Umsiedler auch, weil von der in Keyenberg-neu versproche­nen Begrünung noch nichts zu sehen ist. So mancher hat das Gefühl, von einer »grünen Oase« in eine »triste Wüste« umzuziehen.

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