Twitter stutzt den rechten Flügel
Kurznachrichtendienst will »aggressiver« gegen Hass-Inhalte vorgehen
Soziale Medien wie Facebook und Twitter werden seit Jahren wegen ihres laxen Vorgehens gegen hasserfüllte Beiträge kritisiert. Letzteres macht nun aber ernst. Einen Monat nachdem der Kurznachrichtendienst angekündigt hatte, in Zukunft verstärkt gegen Hass und Rassismus vorzugehen, hat Twitter die Accounts der Vorsitzenden der britischen Neonazipartei Britain First gesperrt. Die Twitter-Präsenz des Britain-First-Vorsitzenden Paul Golding und auch die der Partei wurden am Montag gesperrt. Die antimuslimische Partei will »christliche Werte verteidigen« und hatte sich in letzter Zeit vor allem gegen den Moscheebau engagiert. Gegründet wurde sie 2011 von ehemaligen Mitgliedern der British National Party.
Auch die Adresse zum Account der Vize-Vorsitzenden von Britain First, Jayda Fransen, führt seit Montag auf eine leere Seite, die erklärt: »Account gesperrt«. Ende November war Fransen in das Licht einer breiten Öffentlichkeit gerückt worden, als US-Präsident Donald Trump drei Tweets von Fransen mit Videos retweetete. Dadurch wurden Videos mit vermeintlichen Attacken von Muslimen auf Andersgläubige und die angebliche Zertrümmerung einer Marienstatue einer viel weiteren Öffentlichkeit bekannt, als es anderweitig der Fall gewesen wäre – Donald Trump hat 44 Millionen Follower. Online jubelte Fransen über die Publicity, die ihr Trump verschafft hatte: »Gott segne ihn.«
»Heute werden wir anfangen, die neuen Regeln gegen Hass-Inhalte und Missbrauch der Plattform durchzusetzen«, heißt es in einer Mitteilung auf dem Blog des Unternehmens am Montag. Die Sperrung der NeonaziAccounts auf Twitter kommt einen Monat nachdem das Unternehmen eine neue Politik der strikteren Verfolgung von »Hass schürenden« In- halten angekündigt und eine Frist bis zum 18. Dezember gesetzt hatte.
Dabei wird nun offenbar nicht mehr nur das Verhalten der Personen auf Twitter selbst, sondern auch ihre Verbindungen zu Organisatio-
Nach den Vorfällen rund um eine NeonaziDemonstration in Charlottesville waren Twitter und andere Plattformen in den USA unter Druck geraten.
nen offline und deren Verhalten berücksichtigt. Nutzern sei es verboten, sich mit Organisationen gemeinzumachen, die »durch eigene Meinungen oder Aktionen sowohl auf der Plattform als auch außerhalb ihre Agenda mit Gewalt gegen Zivilisten oder der Aufstachelung dazu voran- treiben«, heißt es in den neuen Nutzerregeln der Plattform.
»Bei unseren Anstrengungen aggressiver gegen Hass vorzugehen werden wir vielleicht einige Fehler machen, deswegen arbeiten wir an einem ›robusten‹ Widerspruchs-Prozess«, schreibt Twitter. So können Nutzer mit dem neuen System »HassTweets« melden, die Betroffenen bekommen dann von Twitter eine Aufforderung diese zu löschen und eine Mitteilung, warum ihr Account gesperrt wurde, wenn es dazu kommt.
Auch weitere Accounts von bekannten Rechtsextremisten wurden offenbar gesperrt. Darunter die Accounts des rassistischen US-amerikanischen Magazins »American Renaissance« und ihres Gründers und Redakteurs Jared Taylor; auch Mitglieder der Neokonföderiertengruppe »League of the South« wurden offenbar gesperrt sowie ein Account der »American Nazi Party«.
Nach den Vorfällen rund um eine Neonazi-Demonstration in Charlot- tesville waren Twitter und andere Plattformen in den USA unter Druck geraten, mehr gegen die Verbreitung von »hate speech«, also menschenfeindlichen Äußerungen, im Internet zu unternehmen. Neben dem gesellschaftlichen Druck gibt es vor allem in Europa auch einen zunehmenden anderweitigen Druck auf soziale Netzwerke, diese strenger zu moderieren – durch gesetzliche Regulierung. Ein Beispiel ist das im Oktober in Kraft getretene Netzwerkdurchsuchungsgesetz in Deutschland.
Viele rechte Twitter-Nutzer in den USA und in Großbritannien beklagen nun unter dem Hashtag #TwitterPurge eine »Säuberungswelle« und sehen einen Angriff auf die Meinungsfreiheit. Eine klare Meinung dazu hat die britische Organisation »Hope not Hate«: »Hier geht es nicht um Meinungsfreiheit, Twitter ist ein Privatunternehmen und hat als solches das Recht, Neonazis die Nutzung der Plattform zu verwehren. Sie sind frei, ihren Hass anderweitig zu verbreiten.«