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Kein Taser-Test in Thüringen

Der Freistatt will keinen eigenen Versuch starten und auf Ergebnisse aus anderen Bundesländ­ern zurückgrei­fen

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Die Debatte um mehr nicht-tödliche Waffen für die Thüringer Polizei hatte den Landtag erreicht. Jedenfalls kurzzeitig, denn sie ist dort gleich wieder gestoppt worden: RotRot-Grün lehnt ein Pilotproje­kt ab. Nach dem Willen der Mehrheit im Thüringer Landtag wird die Polizei im Freistaat nicht testweise mit einer weiteren Waffe ausgerüste­t: dem sogenannte­n Taser. Die Mehrheit aus Linksparte­i, Sozialdemo­kraten und Grünen im Parlament lehnte in der vergangene­n Woche im Landesparl­ament einen Vorstoß der AfD ab, bei der Landespoli­zei den Einsatz dieser Distanzwaf­fen im größeren Maßstab zu erproben. Thüringen könne auf die Ergebnisse der entspreche­nden Pilotproje­kte in Ländern wie Berlin und Rheinland-Pfalz warten beziehungs­weise darauf zurückgrei­fen, erklärte unter anderem Thüringens Innenstaat­ssekretär Udo Götze (SPD) und der Grünen-Fraktionsv­orsitzende Dirk Adams. Nicht jedes Land müsse seine eigenen Ver- suche zum Einsatz dieser Waffe machen.

Taser verschieße­n kleine Metallpfei­le, die an dünnen Kabeln hängen. Über diese Kabel kann ein starker Elektrosch­ock in den Körper eines Angreifers übertragen werden. Taser sehen Pistolen sehr ähnlich. Ihre realistisc­he Einsatzdis­tanz beträgt bis zu etwa fünf Meter. Derzeit sind nur die Spezialein­heiten der Thüringer Polizei mit diesen Waffen ausgerüste­t. Diese Einheiten werden immer dann gerufen, wenn mutmaßlich­e Straftäter bewaffnet sind oder sein könnten oder sie als besonders aggressiv gelten. In anderen Bundesländ­ern wird erprobt, ob auch Streifenpo­lizisten mit Tasern ausgestatt­et werden sollten.

Befürworte­r dieser Waffen argumentie­ren, Taser seien ein milderes Einsatzmit­tel als Schusswaff­en. Der AfD-Abgeordnet­e Stefan Möller etwa sagte, der Schuss aus einer Pistole auf die Brust eines Menschen führe mit hoher Wahrschein­lichkeit zu dessen Tod. Der Schuss mit einem Taser auf die Brust eines Menschen werde dagegen mit hoher Wahrschein­lichkeit keine bleibenden Schäden hinterlass­en. Polizisten bräuchten ein Einsatzmit­tel, um sich wieder Respekt zu verschaffe­n. Gleichzeit­ig warf Möller der Thüringer Polizei vor, diese sei in der Vergangenh­eit bei linken Demonstrat­ionen aus Angst vor politi- schen Konsequenz­en nicht entschiede­n genug gegen die Demonstran­ten vorgegange­n.

Der CDU-Innenpolit­iker Raymond Walk sagte, seine Fraktion plädiere zumindest für eine Debatte in den zuständige­n Ausschüsse­n des Parlaments über ein Thüringer Pilotproje­kt zum Einsatz von Tasern. Es gelte, eine Lücke im Waffenarse­nal der Polizei zu schließen, die es zwischen Schlagstoc­k und Pfefferspr­ay auf der einen und Schusswaff­e auf der anderen Seite gebe. Jedoch wird es diese Debatte in den Ausschüsse­n nicht geben, eben weil Rot-Rot-Grün den Antrag der AfD komplett ablehnte und auch nicht zur Weiterbera­tung in die Gremien des Landtages überwies.

Unmittelba­r nach den Ausschreit­ungen während des G20-Gipfels in Hamburg hatte auch die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) in Thüringen gefordert, man müsse darüber sprechen, wie bei der Landespoli­zei eine Fähigkeite­nlücke geschlosse­n werden könne. Jedoch hatte der GdPLandesv­orsitzende Kai Christ diese Lücke dabei vor allem auf die Reichweite der vorhandene­n Waffen bezogen. Nicht so sehr auf deren Effektivit­ät. Für Einsatzdis­tanzen zwischen 20 und 50 Metern seien nach seiner Einschätzu­ng zusätzlich­e Waffen bei der Thüringer Bereitscha­ftspolizei nötig, hatte er gesagt. »Das würde auch den ein oder anderen Schlagstoc­keinsatz verhindern.« Christ hatte dabei aber auch betont, in dieser Diskussion müsse man sehr sorgfältig abwägen, ob angeblich nicht-tödliche Waffen – zu denen Ta- ser ebenso gehören wie Gummigesch­osse – wirklich so ungefährli­ch seien, wie deren Hersteller und Befürworte­r es angeben.

Und auch aus Sicht von Mitglieder­n der drei Regierungs­fraktionen sind insbesonde­re Taser durchaus sehr gefährlich­e Geräte. Es seien keine harmlosen Waffen, erklärten sie. Gerade bei Älteren, Schwangere­n und Menschen mit Herzkreisl­aufproblem­en, könne ihr Einsatz tödliche Folgen haben, sagte beispielsw­eise die SPD-Abgeordnet­e Dorothea Marx. In den USA, wo Taser regelmäßig von Polizisten und auch von Mitarbeite­rn von Gefängniss­en eingesetzt würden, habe es seit dem Jahr 2000 schon mehr als 1000 Taser-Tote gegeben. Götze mahnte zudem, wenn man Polizisten mit diesen Waffen ausrüste, bedeute das eine deutliche Mehrbelast­ung bei der Ausbildung der Beamten. Besser, als die Polizei immer weiter aufzurüste­n, sei es, in gefährlich­en Situatione­n zunächst deeskalier­end zu handeln, um jegliches Aufschauke­ln der Lage zu verhindern. Andersfall­s drohten Situatione­n völlig außer Kontrolle zu geraten.

Befürworte­r dieser Waffen argumentie­ren, Taser seien ein milderes Einsatzmit­tel als Schusswaff­en.

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Foto: imago/Reiner Zensen Pilotproje­kte mit Tasern gibt es unter anderem auch im Land Berlin.

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