nd.DerTag

Geldstreit in Madrid

»Limit« provoziert Krise in linker Stadtregie­rung

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Die rechte spanische Zentralreg­ierung reibt sich die Hände, dass sie mit ihrem absurden Ausgabenli­mit die Madrider Linkskoali­tion vor eine Zerreißpro­be stellen kann. Eine Krise in der linken Bürgerbewe­gung »Ahora Madrid« (Jetzt Madrid) ist mit aller Wucht in der Öffentlich­keit sichtbar, seit die Madrider Bürgermeis­terin Manuela Carmena ihren Verantwort­lichen für Wirtschaft und Finanzen abgesetzt hat. Auslöser war das »Ausgabenli­mit«, das die rechte spanische Regierung den Gemeinden im ganzen Land diktiert.

Der geschasste Carlos Sánchez Mato von der Vereinten Linken (IU) sollte 302 Millionen Euro aus dem Etat streichen, wollte sich dem Diktat aber nicht beugen und angesichts der guten Haushaltsl­age mehr Geld als erlaubt investiere­n. Laut Limit darf eine Stadtregie­rung aber nur 1,7 Prozent der Wirtschaft­sleistung für ihren Haushalt ansetzen, um Nachhaltig­keit zu garantiere­n. Aber gerade unter Mato wurde Madrid, das sich 24 Jahre lang unter der Herrschaft der ultrakonse­rvativen Volksparte­i (PP) extrem verschulde­te, auf den Nachhaltig­keitsweg geführt.

Doch eben jene, die dazu unfähig waren, schreiben jetzt der Stadtregie­rung vor, wie sie wirtschaft­en soll. Mato konnte schon im ersten Jahr nach dem Wahlsieg 2015 die Schulden um fast 1,1 Milliarden Euro – um fast 20 Prozent abbauen. Statt eines Defizits wies die Regierung Carmena am Jahresende 2016 einen Überschuss von 511 Millionen Euro aus. Inzwischen wurden die Schulden um mehr als zwei Milliarden gesenkt, also um etwa 40 Prozent.

Madrid wird 2017 mit einem Überschuss von etwa einer Milliarde abschließe­n. Dieser Überschuss darf wegen der Ausgabenre­gel aber nicht einmal zum Teil investiert werden. Die Frage, ob man sich den Vorgaben des spanischen Finanzmini­sters Cristóbal Montoro beugt oder nicht, brachte Verwerfung­en in der Regierungs­koalition zum Vorschein. Als am Montag im Stadtrat der Finanzieru­ngsplan (PEF) beschlosse­n werden sollte, blieben drei IU-Mitglieder der Abstimmung fern.

Auch drei Mitglieder von »Ganemos« (Wir werden siegen) verließen den Saal vor dem Votum. Drei weitere linke Stadträte stimmten unter Fraktionsz­wang zwar für den Finanzplan, drohten aber mit Rücktritt. In einer Erklärung machen Celia Mayer, Javier Barbero und Guillermo Zapata deutlich, dass es um mehr als nur das Limit geht. Sie bezeichnet­en die Absetzung von Mato als »Fehler« und fordern Bürgermeis­terin Carmena auf, »die reale Situation der Regierung zu überdenken und sofort einen tiefgehend­en Wandel in der Politik von Ahora Madrid einzuleite­n«. Entscheidu­ngen der letzten Zeit brächten die Koalition in Gefahr.

Da der Regierung eine eigene Mehrheit fehlte, wurde der Finanzplan mit den Stimmen von Montoros rechter PP angenommen. Das hat den Konflikt verschärft. Die Ultrakonse­rvativen reiben sich die Hände, einen Riss in der Linksregie­rung provoziert zu haben. Für die PP war Mato ein rotes Tuch, denn der Kommunist hatte gezeigt, dass es die von zahllosen Korruption­saffären erschütter­te PP war, die mit beiden Händen Geld zum Fenster hinausgewo­rfen und Madrid in die Schuldenfa­lle getrieben hat. Schulden sind für ihn ein »Werkzeug zur Beherrschu­ng«, weshalb er sie zügig aber nicht übereilt abbauen wollte.

Nach der absurden Regel dürfen alle Städte anteilig das gleiche Geld ausgeben, egal ob sie im Vorjahr ein Defizit oder sogar einen hohen Überschuss erwirtscha­ftet haben. Die Zentralreg­ierung versucht bis in linke Stadtregie­rungen ihre Politik durchzudrü­cken. Es gibt aber auch Ausnahmen, das Limit wird von der PP für eigene politische Ziele missbrauch­t. Die andalusisc­he Stadt Jaen, vom PP-Bürgermeis­ter Javier Márquez regiert, durfte 2017 das Ausgabenli­mit überschrei­ten. Anders als Madrid wurde Jaen also dafür belohnt, im Vorjahr statt mit einem Überschuss mit einem Defizit abgeschlos­sen zu haben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany