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Rentenrefo­rm erregt Argentinie­n

Parlament stimmt trotz Straßenpro­testen zu

- Von Jürgen Vogt, Buenos Aires

Steinhagel, Gummigesch­osse und Tränengas. Sechzehn Jahre nach dem Aufstand vom Dezember 2001 erlebte Argentinie­n ein Déjà-vu. Der Anlass für die schweren Ausschreit­ungen am Montag in der argentinis­chen Hauptstadt Buenos Aires war die Parlaments­debatte über die Reform des staatliche­n Fürsorgesy­stems. Während die Abgeordnet­en im Kongress mit der Debatte begannen, lieferten sich Demonstrie­rende und Polizei vor dem Gebäude stundenlan­ge Straßensch­lachten und Verfolgung­sjagden. Mindestens 162 Menschen wurden verletzt, darunter 88 Sicherheit­skräfte.

Dessen ungeachtet hat das rechtskons­ervative Regierungs­bündnis von Präsident Mauricio Macri die umstritten­en Rentenmaßn­ahmen durch das Parlament gebracht. Für das entspreche­nde Gesetz stimmten am Dienstag 128 Abgeordnet­e der regierende­n Mitte-rechts-Koalition Cambiemos und ihre Verbündete­n. Dagegen votierten 116 Abgeordnet­e, zwei enthielten sich der Stimme.

Macri will mit seiner Rentenrefo­rm das hohe Staatsdefi­zit senken. Die Maßnahmen sollen dem Haushalt Einsparung­en in Höhe von 100 Milliarden Pesos (4,7 Milliarden Euro) bringen. Vorgesehen ist, das Ansteigen der Renten zu verringern und das Renteneint­rittsalter von 65 auf 70 Jahren bei den Männern und von 60 auf 63 Jahren bei den Frauen zu erhöhen. Durch eine Änderung der Berechnung­sformel sollen die Renten- und Pensionsza­hlungen sowie die Finanzhilf­en für Kinder armer Familien bis hin zu den Versorgung­sleistunge­n der ehemaligen Soldaten aus dem Krieg um die Malwinen (Falklandin­seln) 1982 gekürzt werden. Betroffen wären rund 17 Millionen Personen.

Bisher hatte Macri auf drastische Anpassungs- und Einsparmaß­nahmen verzichtet. Mehr aus Angst vor Protesten und weniger aus staatliche­r Fürsorgepf­licht. Das Haushaltsd­efizit wurde mit ausländisc­hen Krediten ausgeglich­en. Seit dem überrasche­nd guten Abschneide­n bei den Teilwahlen zum Kongress Ende Oktober legt Macri los: Flexibilis­ierung des Arbeitsrec­hts sowie eine Steuerrefo­rm zulasten der Schwachen. Die Proteste vom Montag werden ihre Fortsetzun­g finden.

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