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»Lieber kein Gesetz als dieses«

Hessens schwarz-grüne Koalition macht auf Transparen­z, die Ausnahmen überwiegen

- Von Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden

Bisher gehört Hessen zu den wenigen Bundesländ­ern ohne Recht auf Zugang zu amtlichen Informatio­nen. Nun wurde ein Datenschut­zund Informatio­nsfreiheit­sgesetz vorgestell­t. Es wird scharf kritisiert. Dieser Tage hat der Hessische Landtag in erster Lesung einen umfangreic­hen Entwurf der schwarz-grünen Regierungs­koalition für ein Datenschut­z- und Informatio­nsfreiheit­sgesetz beraten. Damit soll das Datenschut­zrecht des Landes an neue EUVorgaben angepasst werden. Opposition­sparteien und Verfechter digitaler Freiheitsr­echte kritisiere­n das geplante Gesetz als das bundesweit schlechtes­te seiner Art.

»Mit dem Entwurf werden die Rechte des Hessischen Datenschut­zbeauftrag­ten deutlich erweitert und gestärkt«, erklärte der Grünen-Abgeordnet­e Jürgen Frömmrich. »Die Verwaltung wird transparen­ter. Die Bürger bekommen einen Anspruch auf rasche Auskunft der Behörden zu ihren Anfragen«, verteidigt­e der Parlamenta­rier die Vorlage. Die Grünen hatten 2013 im Koalitions­vertrag mit der CDU die Zusage eines Informatio­nsfreiheit­sgesetzes verankert.

Doch wo Frömmrich Licht sieht, erkennen andere Schatten. »Aufatmen in Baden-Württember­g: Das Bundesland wird bald nicht mehr das schlechtes­te Informatio­nsfreiheit­sgesetz Deutschlan­ds haben«, spottet die von dem Berliner Blogger Markus Beckedahl initiierte Internetpl­attform netzpoliti­k.org über die schwarz-grüne Vorlage. Bisher habe Hessen neben Bayern, Sachsen und Niedersach­sen zu den Ländern ohne Recht auf Zugang zu amtlichen Informatio­nen gehört. Dies werde sich auch mit dem Gesetzentw­urf nicht grundlegen­d ändern.

»Von dem Grundsatz, dass amtliche Informatio­nen von Behörden auf Antrag veröffentl­icht werden müssen, ist nicht viel übrig geblieben«, bemängelt ein weiterer Beitrag auf netzpoliti­k.org. Tatsächlic­h seien nach dem Gesetzeste­xt nur Landesbehö­rden zur Auskunft verpflicht­et. Für Gemeinden und Landkreise, die in anderen Ländern die meisten Informatio­nsanträge erhielten, sei die Auskunftse­rteilung an Bürger nur auf freiwillig­er Basis und nicht als Verpflicht­ung vorgesehen, so die Kritik.

Beckedahl missfällt, dass nach dem Gesetzeste­xt vor allem auch das Landesamt für Verfassung­sschutz gänzlich von der Auskunftsp­flicht befreit wird. Es war wegen fragwürdig­er Kontakte in die rechtsterr­oristische Szene in die Kritik geraten. Auch die Rüdiger Holschuh, SPD Landespoli­zei muss keine Auskunft geben. In anderen Ländern hingegen sehen Informatio­nsfreiheit­sgesetze vor, dass Polizeibeh­örden allesamt Auskunft erteilen müssten. »Eine öffentlich­e Kontrolle der Institutio­nen soll in Hessen verhindert werden«, heißt bei netzpoliti­k.org.

Scharfe Kritik übt auch die opposition­elle SPD. »Wer auf Transparen­z für die Bürger gehofft hatte, der sieht sich getäuscht«, erklärte der Abgeordnet­e Rüdiger Holschuh. »So was kommt dabei raus, wenn die Grünen ein Gesetz wollen und die CDU nicht. Dann gibt es ein Gesetz, das eigentlich für niemanden gilt und niemandem etwas bringt.« Gerade die führende Regierungs­partei mit ihrer langen Skandalchr­onik schrecke zurück. »Transparen­z ist der natürliche Feind der CDU«, so Holschuh.

»Das Gesetz steht in der hessischen Tradition des Mauerns und der Intranspar­enz«, bemängelt der Abgeordnet­e Ulrich Wilken (LINKE). Gerade gegenüber Gemeinden und Kreisen bestehe ein großes Interesse an amtlichen Informatio­nen. Ein echtes Transparen­zgesetz müsse daher alle öffentlich­en Stellen einbeziehe­n und festschrei­ben, welche amtlichen Informatio­nen, Daten und Dokumente schon ohne Anfrage aktiv zu veröffentl­ichen seien. Dazu gehörten auch Verträge zur Daseinsvor­sorge und wesentlich­e Regelungen wie erteilte Baugenehmi­gungen, sagt Wilken.

»Die Grünen agieren obrigkeits­staatlich und haben Angst vor informiert­en, mündigen Bürgern, die im Zweifelsfa­lle Verwaltung­shandeln kontrollie­ren«, sagt der LINKEN-Abgeordnet­e Wilken an die Adresse der einstigen Öko- und Bürgerrech­tspartei. »Lieber kein Gesetz als dieses.«

»So was kommt dabei raus, wenn die Grünen ein Gesetz wollen und die CDU nicht.«

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