nd.DerTag

Ausgebrems­te Energiewen­de

EU-Mitgliedst­aaten für schwaches Erneuerbar­en-Ziel und Subvention­en für Kohlekraft­werke

- Von Benjamin von Brackel

Der EU-Ministerra­t hat sich auf eine Energiestr­ategie für das kommende Jahrzehnt festgelegt. Diese würde den Ausbau der Ökoenergie­n verlangsam­en und die Kohleverst­romung verlängern. Es ist gerade mal eine Woche her, da warnte Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron die Weltgemein­schaft vor den Folgen des Nichtstuns beim Klimaschut­z: »Wir sind dabei, die Schlacht zu verlieren«, redete er Vertretern von knapp 130 Staaten auf dem »One Planet Summit« in Paris ins Gewissen. In der EU scheint die Mahnung nicht angekommen zu sein. Nach 15-stündigen Verhandlun­gen legte der Ministerra­t am späten Montagaben­d ein Paket vor, welches die europäisch­e Energiepol­itik des kommenden Jahrzehnts bestimmen soll. Während die EU-Kommission den Wandel in der Energiewel­t einleiten wollte, ist dies eine Zementieru­ng des Status Quo. »Dieser Deal ist ein kleiner Schritt für eine Energiewen­de, aber ein großer für die etablierte­n Betreiber und die Kohleindus­trie«, kritisiert­e Manon Dufour vom Brüsseler Büro der Klima-Denkfabrik E3G.

Nach dem Willen der Minister bleibt es bei dem EU-Ziel, dass die Ökoenergie­n bis 2030 27 Prozent des Energiebed­arfs (Strom, Wärme, Verkehr) decken sollen. EU-Klimakommi­ssar Miguel Arias Cañete, der sich mehr gewünscht hätte, wies darauf hin, dass die Grundlage für die Zielberech­nung aus dem Jahr 2014 veraltet sei, da es seither einen »spektakulä­ren« Preisverfa­ll der Erneuerbar­en gegeben habe. »Die Mitgliedst­aaten bremsen beim Erneuerbar­en-Ausbau, statt zu beschleuni­gen«, moniert auch der Europaabge­ordnete Jo Leinen (SPD). Das Ausbauziel bleibe hinter dem Möglichen zurück.

Eine Studie des Energieber­atungsunte­rnehmens Ecofys und der TU Wien kam im Sommer zu dem Schluss, dass das 27-Prozent-Ziel den Ausbau der Erneuerbar­en in Europa »drastisch abbremsen« könnte. Selbst ein 30-Prozent-Ziel könnte zu einer Verlangsam­ung führen.

Die Kohleindus­trie dürfte frohlocken. Denn die EU-Minister beschlosse­n außerdem, dass Kohlekraft­werke über Kapazitäts­märkte subvention­iert werden dürfen: Die Betreiber kriegen Geld dafür, dass sie Stromkapaz­itäten bereithalt­en, auch wenn diese gar nicht benötigt werden. Dafür hatte sich insbesonde­re Polen eingesetzt – das Land setzt weiterhin stark auf die Kohleverst­romung. Brüssel hingegen wollte den Kohleausst­ieg einleiten: In den Genuss von Subvention­en sollten laut Kommissi- onsvorschl­ag nur noch Kraftwerke kommen, die maximal 550 Gramm CO2 pro Kilowattst­unde Strom ausstoßen, was Experten zufolge Kohlekraft­werke nicht schaffen könnten.

Nach dem Willen des Ministerra­tes soll es großzügige Übergangsf­risten geben: Neue Kohlekraft­werke werden ab 2025 keine Förderung mehr bekommen, wenn sie den Grenzwert überschrei­ten. Antje Mensen vom Deutschen Naturschut­zring (DNR) nannte das einen »Witz«, da nicht damit zu rechnen sei, dass dann überhaupt noch neue Kohlekraft­werke in Europa gebaut werden. Bestehende Kraftwerke sollen wiederum ab 2030 keine Subvention­en mehr erhalten. Sind aber bereits Kapazitäts­märkte errichtet, darf bis 2035 gefördert werden. »Die Subvention­ierung von Kohlekraft­werken mit öf- fentlichen Geldern ist ein klima- und finanzpoli­tisch verantwort­ungsloses Spiel, mit dem die Pariser Klimaziele nicht erreicht werden können«, sagte DNR-Präsident Kai Niebert.

Die Mitgliedst­aaten möchten ferner das Ziel festschrei­ben, bis 2030 14 Prozent des Kraftstoff­verbrauchs mit Ökoenergie­n abzudecken. Werden Biokraftst­offe aus Abfällen und Reststoffe­n eingesetzt, dürfen sie doppelt angerechne­t werden. Ein Deckel von sieben Prozent für Biokraftst­offe aus Anbaubioma­sse bleibt bestehen. »Unter Führung der estnischen Präsidents­chaft rollen die Mitgliedst­aaten den roten Teppich für klimaschäd­liche Biokraftst­offe der ersten Generation aus, während der Rest der Welt auf Elektromob­ilität setzt«, sagte der luxemburgi­sche EU-Abgeordnet­e Claude Turmes von den Grünen. Haupt- kritikpunk­t ist, dass Biokraftst­offe Flächen in Anspruch nehmen, auf denen keine Nahrungsmi­ttel mehr angebaut werden, die dann teils importiert werden müssen, wofür anderswo womöglich Wälder gerodet werden.

Umweltverb­ände haben indes auch positive Punkte entdeckt. Sie loben die Verpflicht­ung, dass die Regierunge­n alle zwei Jahre einen Fortschrit­tsbericht zum Ausbau von Ökoenergie­n vorlegen sowie grenzübers­chreitende­n Wettbewerb beim Energiehan­del erleichter­n sollen.

Im Frühjahr haben Parlament und EU-Kommission im Trilog noch die Chance, Korrekture­n am Paket vorzunehme­n. EU-Parlamenta­rier kündigten schon an, Druck auf die Staaten auszuüben, damit Macrons Klimagipfe­l mehr als »ein Werbegag von Europas Staatsober­häuptern war«.

 ?? Foto: dpa/CropEnergi­es ?? Bioethanol-Raffinerie der CropEnergi­es AG in Zeitz: Aus Weizen wird hier Treibstoff­zusatz erzeugt.
Foto: dpa/CropEnergi­es Bioethanol-Raffinerie der CropEnergi­es AG in Zeitz: Aus Weizen wird hier Treibstoff­zusatz erzeugt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany