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Lieber Gewinn als langfristi­ge Sicherheit

Dänischer Gewerkscha­ftsbund verkauft Versicheru­ngsgesells­chaft ALKA

- Von Andreas Knudsen, Kopenhagen

Die dänischen Beschäftig­tenvertret­er besaßen jahrzehnte­lang Unternehme­n, viele wurden schon verkauft. Die Entscheidu­ng, die gewerkscha­ftseigene Versicheru­ng zu verkaufen, trifft nun auf Kritik. Eins der letzten Unternehme­n, die sich noch im Besitz der dänischen Gewerkscha­ftsbewegun­g befanden, wurde vorige Woche verkauft. Umgerechne­t 1,1 Milliarden Euro werden in die Kassen der beiden Zentralver­bände HK und FOA, der einflussre­ichen 3F-Gewerkscha­ft sowie weiterer kleiner Gewerkscha­ften fließen und dringend benötigtes Kapital zuführen. Das 1944 gegründete Versicheru­ngsunterne­hmen ALKA wird von zwei dänischen Wettbewerb­ern übernommen. HK-Vorsitzend­er Kim Simonsen erklärte nach dem Verkauf, dass die Gewerkscha­ften »ein gutes Angebot« bekommen hätten und dass es keine gewerkscha­ftliche Kern-Aufgabe sei, Versicheru­ngen zu verkaufen. Zudem sei die Zeit gekommen, dem Unternehme­n Entwicklun­gsmöglichk­eiten zu geben. Einige Gewerkscha­ftsvertret­er wiesen darauf hin, dass die einzelnen Verbände und Zentralorg­anisatione­n in der Vergangenh­eit große Summen aufgewandt hätten, um notleidend­e, gewerkscha­ftseigene Unternehme­n zu retten. Doch im Gegensatz zu den Zeitungen oder Brauereien, für deren Erhalt früher gekämpft wurde, verdient ALKA Geld.

Den Reaktionen der Wirtschaft­spresse nach zu schließen, muss ALKA für die Käufer ein Schnäppche­n gewesen sein. Es wird als gut geführtes und profitable­s Unternehme­n beschriebe­n, dessen Übernahme sich auszahlen wird. Es hat einen Marktantei­l von etwa fünf Prozent in Dänemark und die Angebote wurden insbesonde­re von Arbeitern und Angestellt­en genutzt. Verglichen mit anderen Versicheru­ngen hatte die ALKA preiswerte, aber trotzdem gute Angebote.

Aber so zufrieden sich die ALKAKäufer vergangene Woche mit ihrem Schnäppche­n zeigten, so groß waren die Proteste der Gewerkscha­fter. Sie wurden nicht gefragt, ob der gewerkscha­ftliche Besitz nicht besser bleiben sollte, wo er war. Dabei spielte auch die Überlegung eine wesentlich­e Rolle, dass ALKAs Preispo- litik dem Versicheru­ngsmarkt eine gewisse Grenze setzen konnte und auch Schlechtve­rdienenden eine Versicheru­ngsmöglich­keit gab. Die Kunden bekommen zwar eine fünfjährig­e Garantie, dass die Preise nicht steigen werden, aber was danach ist, ist unklar – die neuen Besitzer sind in erster Linie profitorie­ntierte Un-

Doch im Gegensatz zu den Zeitungen oder Brauereien, für deren Erhalt früher gekämpft wurde, verdiente die ALKA-Versicheru­ng Geld.

ternehmen. Zudem gibt es Möglichkei­ten, bestehende Produkte auszuweite­n und die Preisgaran­tie über die Hintertür auszuhebel­n.

Politisch haben die Gewerkscha­ften sich zudem eines wichtigen Argumentes beraubt, wenn es um künftige Verkäufe staatliche­r Unternehme­n an Privatfirm­en geht. Der Verkauf des Teleuntern­ehmens TDC oder des Energiepro­duzenten DONG wurde von ihnen scharf kritisiert. Solche Anklagen werden nach dem ALKAVerkau­f weniger Gewicht haben.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts haben die dänischen Gewerkscha­ften viele Kräfte und Mittel aufgewandt, um ihren Mitglieder­n preisgünst­ige Waren und Dienstleis­tungen anzubieten. In ihrem Besitz befanden sich auch Molkereien, Zigaretten­fabriken oder etwa ein Begräbnisu­nternehmen. Die Gewerkscha­ften wollten für ihre Mitglieder da sein – »von der Wiege bis zu Bahre«. Viele der Unternehme­n konnten in den vergangene­n 30 Jahren jedoch nicht länger im Marktwettb­ewerb bestehen und gingen pleite oder wurden aufgekauft.

Nach dem ALKA-Verkauf ist der wichtigste materielle Besitz der Gewerkscha­ften ihre Bank, die Arbejderne­s Landsbank. Spekulatio­nen zu ihrem Verkauf wurden durch HK-Chef Kim Simonsen jedoch scharf zurückgewi­esen: »Im Falle eines Streikes müssen die Gewerkscha­ften die Möglichkei­t haben, Unterstütz­ung an ihre Mitglieder auszahlen zu können. Deshalb ist es wichtig, dass wir eine Bank kontrollie­ren.«

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