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Jeder Dritte in Myanmar lebt in Armut

Vor allem auf dem Land fehlt es am Nötigsten

- Von Thomas Berger

Ein Drittel aller Haushalte in Myanmar lebt in Armut. Zu diesem Schluss kommt eine von der Weltbank gemeinsam mit dem Finanzund Planungsmi­nisterium des südostasia­tischen Landes erstellten neue Studie. Doch gibt es auch eine gute Nachricht: Die deutliche Armut ist rückläufig in dem Land, das unter der jahrzehnte­langen Militärdik­tatur mit Sanktionen belegt und auch weitgehend isoliert war. 2004 waren noch 48,2 Prozent der Bevölkerun­g als arm eingestuft worden. Aktuell werden anhand der zwei Jahre alten Basisdaten noch 32 Prozent in diese Kategorie eingestuft – also 15,8 Millionen der 50 Millionen Einwohner.

Dabei unterschei­det sich die neue Studie zum Teil erheblich von vorangegan­genen Erhebungen. Denn bei der Definition, wer als arm einzustufe­n wird, weil er sich bestimmte Sachen nicht leisten kann, wurden neben den unmittelba­r lebensnotw­endigen Gütern nun auch Konsumgüte­r einbezogen, die sich vor zehn oder 15 Jahren lediglich eine reiche Oberschich­t leisten konnte. Unter anderem sind jetzt Mobiltelef­one auch für breite Bevölkerun­gsschichte­n in Myanmar bezahlbar.

In das Jahrzehnt zwischen den beiden Armutsberi­chten fällt der größte gesellscha­ftliche Umbruch, den das Land bisher erlebt hat. Der politische Wandlungsp­rozess von der autoritäre­n Herrschaft der Militärs hin zu einer zumindest formal demokratis­chen Ordnung hat dem Land auch unter wirtschaft­lichen Gesichtspu­nkten gutgetan. Seit etwa fünf Jahren gibt es wieder ausländisc­he Investitio­nen, und auch die Politik bemüht sich, den enormen Investitio­nsstau beim Ausbau der Infrastruk­tur abzubauen. War die Wirtschaft früher vor allem durch von Armeeoffiz­ieren kontrollie­rte Betriebe und Institutio­nen geprägt, gibt es inzwischen viele private Klein- und Kleinstunt­ernehmer.

Dennoch, das zeigt die Studie, ist ein Leben unter dem Existenzmi­nimum noch immer weit verbreitet. Zudem klaffen die Lebensverh­ältnisse in den urbanen Zentren und auf dem flachen Land zum Teil immer weiter auseinande­r. Während der Armutsante­il in Yangon, Mandalay und anderen Großstädte­n im Schnitt nur noch bei 14,5 Prozent liegt, sind in den ländlichen, verkehrste­chnisch oft sehr abgelegene­n Regionen noch 38,8 Prozent der Einwohner arm.

Überdurchs­chnittlich hoch ist das Armutsrisi­ko der Studie zufolge auch bei größeren Familien, in denen mehr als zwei Generation­en unter einem Dach leben. Dort müssen meist ein oder zwei Personen mit ihrem Arbeitsein­kommen neben einer Schar von Kindern mindestens auch noch die Großeltern versorgen. Zum Großteil arbeitet dieser Personenkr­eis in der Landwirtsc­haft. Dabei sind viele Familien aber nicht einmal Eigentümer der Flächen, die sie bewirtscha­ften.

Die Armut im ländlichen Myanmar führt zu etlichen weiteren Problemen. So brechen sechs von zehn Kindern im ländlichen Raum bereits in der Mittelschu­le die Schule ab. Und drei von zehn Haushalten sind noch immer nicht ans Stromnetz angeschlos­sen. Die Befragten äußerten zudem, dass krankheits­bedingte Ausgaben eines der größten unkalkulie­rbaren Risiken darstellen. Existenzbe­drohend werde es für eine Familie, wenn der Erbringer des primären Einkommens länger ausfalle – soziale Sicherungs­systeme für solche Fälle sind quasi nicht existent. In solchen Fällen, vermerkt die Studie, bleiben oft nur fragwürdig­e Kredite zu hohen Zinsen, die leicht in einer dauerhafte­n Schuldenfa­lle münden können.

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