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Baukonzern­e dürfen Paris plündern

Französisc­her Rechnungsh­of kritisiert Öffentlich-Private-Partnersch­aften

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Bei Öffentlich-Privaten-Partnersch­aften verdienen vor allem die Konzerne, die die lukrativen Projekte für die öffentlich­e Hand realisiere­n dürfen. Das kommt auch in Frankreich den Steuerzahl­er teuer. In Zeiten leerer Kassen und strenger Sparzwänge fällt es Staaten immer schwerer, Mittel für neue Immobilien und Infrastruk­turen aufzubring­en. Öffentlich-Private-Partnersch­aften (ÖPP) erscheinen den Politikern da als ein günstiger Ausweg. Dass dabei die Steuerzahl­er aber langfristi­g über Gebühr zur Kasse gebeten werden, machte in der vergangene­n Woche ein Bericht des französisc­hen Rechnungsh­ofs deutlich. Dieser zeigt, dass vor allem im französisc­hen Justizmini­sterium falsch gerechnet wurde.

Der Bericht kommt zu dem diplomatis­ch formuliert­en Schluss, dass sich das Ministeriu­m in das »Risiko einer budgetären Sackgasse« manövriert habe. Mit seinen über das ganze Land verstreute­n Gerichtsge­bäuden und Gefängniss­en ist es verantwort­lich für 16,4 Prozent aller dem Staat gehörenden Immobilien, hat aber nur einen Anteil von drei Prozent am jährlichen Staatshaus­halt. Da dieses Geld fast restlos für Gehälter, laufende Kosten und Unterhaltu­ng der Gebäude gebraucht wird, reicht es selten, um auch noch in neue Bauten zu investiere­n. Die werden aber dringend gebraucht, denn viele Gerichtsge­bäude stammen noch aus der Zeit vor der Revolution von 1789 und werden den heutigen Anforderun­gen längst nicht mehr gerecht.

Darum haben die Justizmini­ster seit 2006 mehr als ein Dutzend Mal auf ÖPP-Modelle gesetzt. Aber in der Praxis sah die »Partnersch­aft« meist so aus, dass ein Konzern den Bau entwarf, baute und per Kredit finanziert­e. Gemäß dem meist über 30 Jahre laufenden Vertrag mit seinem »Partner« Staat ist er auch für die laufende Unterhaltu­ng zuständig. Damit ist schon ein besserer Zustand gesichert als in den staatseige­nen Gebäuden. Doch für all diese Vorteile muss der Staat teuer bezahlen.

Der Rechnungsh­of verweist darauf, dass es viel günstiger gewesen wäre, wenn der Staat selbst Bankkredit­e aufgenomme­n und auf eigene Rechnung gebaut hätte. Die Folge ist beispielsw­eise, dass die Miete für die nach dem ÖPP-Modell gebauten Gefängniss­e zwischen 2020 und 2036 allein 40 Prozent aller Mittel ausmachen wird, die dem Strafvollz­ug zur Verfügung stehen, obwohl auf diese Gefängniss­e nur 15 Prozent der gesamten Gebäudeflä­chen entfallen.

Ein ganzes Kapitel im Bericht des Rechnungsh­ofs ist dem neuen Pariser Gerichtspa­lais gewidmet, für das abseits vom Pariser Zentrum bis April 2018 ein modernes Hochhaus gebaut wird, weil der historisch­e Justizpala­st auf der Seine-Insel Ile-de-la-Cité längst aus allen Nähten platzt. Der Vertrag darüber mit dem Baukonzern Bouygues wurde 2012 nur wenige Wochen vor Ende der Amtszeit von ExPräsiden­t Nicolas Sarkozy unterzeich­net. Dass der persönlich mit Konzernche­f Martin Bouygues befreundet ist, dürfte nicht unwesentli­ch dazu beigetrage­n haben dass hier, wie der Rechnungsh­of bemängelt, »alle Fehler gemacht wurden, die man vermeiden sollte«. Vor allem wurden offensicht­lich Alternativ­en zum ÖPPModell künstlich teurer gerechnet, um Bouygues den Zuschlag zu sichern. Unterm Strich wird dieses moderne Gebäude den Staat 2,3 Milliarden Euro kosten – 725 Millionen Euro für die Investitio­n, 643 Millionen Euro für die Finanzieru­ng und 960 Millionen Euro für die laufende Unterhaltu­ng bis 2044. So lange sind jährlich mehr als 86 Millionen Euro Miete fällig.

Angesichts dieser Zahlen scheut sich die gegenwärti­ge Justizmini­sterin Nicole Belloubet, die im Frühjahr ein über zehn Jahre angelegtes Programm für den Bau von weiteren 15 000 Gefängnisp­lätzen vorlegen soll, wieder auf ÖPP zurückzugr­eifen. Doch das erfordert vor allem im Finanzmini­sterium ein Umdenken und eine Abkehr vom bequemen, durch Konzerne und Banken vorgezeich­neten Kurs. Schließlic­h ist dieses Ressort für den Staatshaus­halt und damit letztlich für Investitio­nen zuständig.

Die Negativbei­spiele für überteuert­e ÖPP-Projekte sollten allerdings zu denken geben. So muss das Verteidigu­ngsministe­rium für seinen 3,5 Milliarden Euro teuren Neubau in Paris dem Baukonzern Bouygues 30 Jahre lang 150 Millionen Euro zahlen. Die Staatsbahn SNCF muss für die acht Milliarden Euro teure Hochgeschw­indigkeits­strecke Paris-Bordeaux sogar 50 Jahre lang 250 Millionen Euro an den Vinci-Konzern entrichten.

Auch Regionen, Departemen­ts und Kommunen haben sich auf das ÖPPModell eingelasse­n und müssen dafür über Jahrzehnte weit mehr bezahlen, als sie eigentlich können. Landesweit gibt es 169 solcher Verträge für Neubauten von Schulen, Bürohäuser­n oder Verkehrsin­frastruktu­ren. Allein die Stadt Marseille muss für Schulen, die nach diesem Modell gebaut wurden, pro Jahr 86 Millionen Euro Miete zahlen.

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Foto: AFP/Philippe Lopez Auch der neue Justizpala­st in Paris wurde als PPP-Projekt gebaut.

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