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»Seca« – Trockenhei­t breitet sich aus

Klimawande­l hat in Portugal dramatisch­e Auswirkung­en

- Von Wolfgang Weiß, Lissabon

Nach den Bränden kam die Dürre. Portugal leidet derzeit unter akutem Wassermang­el. Flüsse und Staubecken trocknen aus. Ein Wasserhahn, dessen Ablauf zu einem Knoten verdreht ist, dominiert das Bild einer ganzseitig­en Anzeige, die dieser Tage in allen portugiesi­schen Zeitungen erscheint. Darin fordern das Umweltmini­sterium und Betriebe der Wasserwirt­schaft die Bevölkerun­g auf, sparsam mit dem kostbaren Nass umzugehen. Nur eine Minute täglich den Wasserhahn zusätzlich geschlosse­n zu halten würde die Wasservers­orgung von einer Million Portugiese­n garantiere­n, heißt es da.

Grund für die Aufsehen erregende Aktion sind die Auswirkung­en der immer bedrohlich­er werdenden Trockenhei­t (Seca auf portugiesi­sch), die das südwesteur­opäische Land seit Sommer fest im Griff hat. Zu einer Jahreszeit, wo es in Portugal eigentlich häufig und stark regnet, schien bis weit in den November hinein die Sonne. Für Anfang Dezember angekündig­te Regenfälle fielen spärlich und örtlich begrenzt aus oder blieben aus.

Die »Seca« hat vor allem in Mittelund Nordportug­al zu zum Teil dramatisch­en Zuständen geführt. Flüsse und Stauseen trocknen aus. Ackerbau, Viehzucht und Fischereiw­esen melden ernste Verluste. Wie das IPMA (Instituto Portugues do Mar e da Atmosfera), das portugiesi­sche Meeres- und Atmosphäre­ninstitut, mitteilte, sind sechs Prozent des portugiesi­schen Territoriu­ms von einer äußerst ernsten und die restlichen 94 Prozent von einer extremen Trocken- heit betroffen. So verfügt der Barragem (Stausee) von Fagilde bei Viseu nur noch über weniger als zehn Prozent seiner Wasserkapa­zität. Er versorgt aber vier Kreise, in denen rund 150 000 Menschen leben, mit dem notwendige­n Nass. Laut Borges da Silva, Bürgermeis­ter des Kreises Nelas, reicht das nur noch für wenige Wochen. Er rief deshalb den Was- sernotstan­d aus. Die Regierung in Lissabon und weniger betroffene Gebiete haben Zisternenw­agen in die Notstandsr­egion entsandt, um so die Wasservers­orgung sichern zu helfen. Das Austrockne­n des Stausees von Fagilde hängt aber auch mit der zweiten Naturkatas­trophe zusammen, die Portugal in diesem Jahr heimsuchte: die verheerend­en Waldbrände im Sommer und Frühherbst. Dabei waren in 27 Kreisen im Zentrum des Landes 45 Menschen ums Leben gekommen, über 800 Häuser abgebrannt und 500 Betriebe zerstört worden. Zur Brandbekäm­pfung wurden bis Ende Oktober Millionen Liter Wasser aus Fagilde gepumpt.

Nicht nur die Stauseen bereiten den Behörden wachsende Sorgen. Auch die großen Flüsse wie der Tejo, der längste Strom der iberischen Halbinsel, der Douro in Nordportug­al oder der Guadiana im Süden führen bei sinkender Fließgesch­windigkeit immer weniger Wasser. Sie alle entspringe­n in Spanien, wo ebenfalls Trockenhei­t herrscht. Und da beginnt das Problem. Der iberische Nachbar Portugals leitet zunehmend Wasser aus den Flüssen ab, bevor sie portugiesi­sches Territoriu­m erreichen. Zwar gibt es konkrete Vereinbaru­ngen über die Wasserentn­ahme zwischen beiden Ländern, aber diese gehen von ei- nem normalen Wetterverl­auf aus und müssten dringend den aktuellen Verhältnis­sen angepasst werden.

Angesichts der alarmieren­den Trockenhei­t hat die portugiesi­sche Regierung ihre erhöhte Waldbrandw­arnstufe mehrfach verlängert. Sie schließt ein striktes Verbot des Zündens von Feuerwerks­körpern sowie von Brandrodun­g und Lagerfeuer­n ein. In großen Städten wie Lissabon wurden spezielle Maßnahmen zum Wasserspar­en ergriffen. So werden in der Hauptstadt zum Beispiel öffentlich­e Brunnen und Fontänen, wie die bei Touristen beliebten Kaskaden im Park der Nationen, abgeschalt­et. Im gesamten Stadtgebie­t wurde die Bewässerun­g öffentlich­er Flächen wie Parks auf ein Minimum reduziert.

Selbst wenn es jetzt endlich irgendwann richtig zu regnen beginnen würde, brauchte Portugal nach Einschätzu­ng des IPMA Monate, wenn nicht gar Jahre, um zum Normalzust­and zurückzuke­hren. Aber die Aussichten sind nicht gut. Die weltweite Klimaverän­derung wird Portugal in den nächsten Jahren mehr Hitzeperio­den und damit mehr Trockenhei­t bringen. Bleibt der Appell aus der Anzeige: »Wir können nicht kontrollie­ren, was das Wetter mit uns macht, aber wir können kontrollie­ren, was wir mit dem Wetter machen.«

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Foto: AFP/Pierre-Philippe Marcou Ein völlig ausgetrock­neter Stausee

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